Was ist von einem Spiel zu halten, dessen alleiniger, einziger und ausschließlicher Inhalt das Verprügeln von tendenziell harmlosen Menschen und Tieren ist? WASTED verrät euch außerdem, ab dem wievielten Römer das neue Asterix-Spiel langweilig wird.
Ist es an der Zeit, Asterix zu canceln? Diese Geschichten einer testosterongetränkten Raufbold-Gemeinschaft, in der Frauen jahrzehntelang nicht mal als Sidekick taugten. Wo sich Männerbünde beim gemeinsamen Grillabend in den Armen liegen, weil man müde vom pausenlosen Schädelverbeulen ist. Wo sich die harten Jungs in der Schlacht und beim sportlichen Wettkampf messen und sich sogar in der Freizeit gegenseitig verdreschen, wenn gerade kein homo romanus zur Hand ist.
Machen wir uns nichts vor: Die Comic-Welt von Asterix und Obelix ist eine Manifestation des Patriarchats. Geschichten von Männern, die Abenteuer erleben, für Jungs, die gerne bei diesen Abenteuern zusehen. Das war und ist natürlich alles humorig, kauzig und überzeichnet, damit sind viele von uns groß geworden und in der „guten alten Zeit“ hätte man das wohl kaum als fragwürdig oder überholt bezeichnet. Schließlich werden ja nur ein paar Länderklischees durch den Kakao gezogen, aber letzlich verträgt sich doch der Brite mit dem Gallier und der Korse mit dem Spanier beim gemeinsamen Wildschweinschmaus. Und abgesehen von ein paar ausgeschlagenen römischen Zähnen und verbeulten Rüstungen wird ja nicht mal jemand ernsthaft verletzt…
Zum Glück kann ich mich in meiner Rolle als Spielekritiker entspannt zurücklehnen und euch, liebe Leserinnen und Leser, mit diesem Denkanstoß zurücklassen. Sorry, ich muss weg – das Spiel Asterix & Obelix: Slap them All! besprechen. Darauf hatte ich mich nämlich schon seit der Ankündigung gefreut: Ich liebe ja diese altmodischen Sidescroll-Klopper im Stile von Final Fight, Streets of Rage, Golden Axe & Co. Ich denke, ihr könnt euch ausmalen, wie erfreut ich war, als mich unser Chefredakteur Fabu fragte, ob er zufällig richtig liegt, wenn er den Titel bei mir sieht. Goldrichtig, möchte ich meinen, lieber Fabu. Denn nur bei mir gibt’s noch einen kleinen Retro-Exkurs zu einem ganz ähnlichen Asterix-Spiel obendrauf – den findet ihr aber ein paar Absätze weiter südlich…
Wortklauberei
Doch zurück zu diesem wunderbaren Subgenre. Wo ich stupide Fäuste und Kicks auf pixelige Assis herabregnen lasse, wo ich Punks den Iro nachziehe, wo ich mit Totschlägern düstere Ritter …ähm… totschlage. In meinem Kopf hießen diese Spiele entweder Straßenprügler – weil man eben häufig in neonlichtgetränkten Gassen und schäbigen Hinterhöfen unterwegs ist – oder Sidescroll-Klopper – weil, nun ja, das Bild seitlich scrollt, während man sich kloppt. Im US-Sprech firmieren die Teile aber als „Beat’em-Up“ – eine Beschreibung, die den Spielinhalt zugegebenermaßen sehr treffend umreißt.
Slap them All!
Watsch’ sie alle!
Dazu passt auch der Untertitel des neuen Asterix-Spiels: Slap them All! Watsch’ sie alle! Und ja, wie in der Einleitung erwähnt, beschreibt das sehr exakt, was im Spiel abgeht. Einzelspieler*innen wechseln auf Knopfdruck zwischen den beiden berühmten Galliern, Koop-Klopper*innen lenken je einen davon. Und dann geht es nach vorn. Puff, zack, schleuder, pardauz, batsch. Fünf Stunden lang boxe, kloppe, drische, verhaue, zerlege, schlage, vermöbel, kicke, verprügel, watsche, versohle, ohrfeige, kurzum budspencerundterrencehille ich ganze Hundertschaften strunzdoofer Gegner. Meist Römer, aber auch einige Piraten oder Wildschweine landen auf dem Boden der Tatsachen. Zwar gibt es ein paar unterschiedliche Feindtypen (Speerwerfer, rennende Schläger, Mini-Bosse), doch im Großen und Ganzen leisten sie kaum Widerstand und ziehen euch nur Energie ab, wenn sie von links und rechts anrücken oder ihr im Chaos die Übersicht verliert.
Die Spaß-Frage
Quantitätsmatrix
Macht das Laune? Durchaus. Weil die Steuerung sehr flott reagiert und ich wirklich wieselflink die Fäuste fliegen lassen kann. Punch-Kombo, Sprungkick, dann ein Dash, der alle Feinde wegrempelt, oder ein satter Uppercut, der vom Römer nur die rauchenden Sandalen übriglässt. Und ganz wichtig: Würfe. Die sind, das wissen Expert*innen des Genres, oft das, was einen ordentlichen von einem exzellenten Straßenprügler unterscheidet. Je nachdem, ob man Asterix oder Obelix lenkt, schnappe ich mir einen Feind, schleudere ihn ruckzuck in den Gegnerpulk (Bowling!) oder lass ihn wie einen Propeller kreisen. Das macht wirklich reichlich Laune. Eine Stunde, zwei Stunden, ja sogar drei Stunden lang. Doch die zweite Hälfte der fünf- bis sechsstündigen Europa-Tour ist ermüdend: Da werden Schauplätze (Piratenschiff!), Gegner (schon wieder die Dicken!) und Minigames (Wildschwein-Sprint!) recycelt und auch die Hintergründe machen nicht sonderlich viel her – da hätte es in Spanien oder Ägypten schon etwas hübscher zugehen können…
Konami x Asterix
Warum kennt kaum jemand diesen Traum von einem Pixelspiel? Weil das schlicht Asterix benannte Abenteuer aus dem Jahr 1992 nur in der Spielhalle erschien. Keine Konsole, kein Heimcomputer wurde mit einer Umsetzung bedacht – ein Unding. War es doch damals die mit Abstand schönste Versoftung der berühmten Comic- und Trickfilmreihe. Wie Slap them All! erzählt der Arcade-Klopper keine eigene Geschichte, sondern bedient sich lose an mehreren Comic-Bänden – z. B. geht es in den Orient, zum Stierkampf in die Arena, mit dem Boot übers Meer oder nach Ägypten. Konamis Keilerei ist unfairer und schwerfälliger als das neue Spiel der französischen Mr. Nutz Studio, dafür nimmt es sich die Freiheit heraus, den Abspann schon nach circa einer Stunde Dauerprügelns über den Bildschirm laufen zu lassen – ein Designentscheidung, die Slap them All! eventuell auch gut getan hätte.
Umso gelungener ist der generelle Look. Die fein gezeichnete Grafik fängt den Charme der Vorlage herrlich ein, die Animationen der Hauptfiguren und der Gegner sind drollig und abwechslungsreich – ein paar pfiffige Gesten habe ich erst beim Durchsehen meiner über 100 Switch-Screenshots entdeckt. Denn Asterix & Obelix: Slap them All! ist ein ziemlich schnelles Spiel, was ich übrigens gut finde. Obwohl das gefeierte Streets of Rage 4 in fast jeder Disziplin zwei Baseballschläger-Längen Vorsprung hat, finde ich das Mehr an Tempo in Slap them All! sehr angenehm – das unterstreicht den arcadigen Grundtenor.
Seltsamerweise gibt es keine Continues und keine Option, einen zu Boden gegangenen Mitspieler wieder auf die Beine zu helfen – wenn einer der beiden Gallier nicht rechtzeitig zur Wildschwein-Brotzeit greift und auf die Bretter geschickt wird, muss die aktuelle Mission neu gestartet werden. Wer also mit Kindern im Verbund gen Rom marschiert, darf ruhig den niedrigsten Schwierigkeitsgrade wählen, um nicht allzu schnell wasted zu sein…
Fazit
Schöne Sache, dass ich im Jahr 2021 eine so hübsche Asterix-Schlägerei genießen kann, die spielerisch nahtlos an die legendären Capcom- und Sega-Klopper der 90er anknüpft. Auf Dauer mag ich meine Spiele heutzutage aber doch abwechslungsreicher und anspruchsvoller; auch in puncto Geschichte und Humor wäre angesichts der Vorlage noch deutlich mehr drin gewesen.
0,3 Doom? Darüber müssen wir noch mal in der Wertungskonferenz sprechen.
Wunderbares Review. Wie an anderer Stelle schon geschrieben, ich hab ziemlich Bock drauf. Aber nicht für 40 Öcken. Das sind zwei Monate WASTED-Club 27… geht gar nicht. Aber demnächst im PSN-Sale. Garantiert.
Ja, 40 ist mir auch zu happig. Für 10-20 würde ich zuschlagen (hihi).
Bitte neue Sammelkartenkategorie „Etage auf der Softwarepyramide“ einführen.
Ja, der UVP ist doch 'ne Ohrfeige für alle Asterix-Fans (hohoho)!
Oh ja oder Position im pile of shame
Auch die Spieltiefe von 5 bar scheint mit etwas zu hoch angesetzt. Ansonsten gehe ich aber mit.
Sehr schöner Test. Besonders der Hinweis auf den Konami Klassiker hat mich gefreut.
Die ROMs dazu sind übrigens heute im Internet noch verfügbar und mit ein bissl bastelgeschick kann man sich seinen eigenen Asterix Automaten in die Bude stellen.
Jetzt noch kritische Worte: wenn man Asterix schon als aus der Zeit gefallen verurteilt, darf man nicht außer acht lassen, dass die Alben im Kontext ihrer jew. Veröffentlichungsjahre in der Regel recht progressiv waren. Sei es, dass mir Asterix und Obelix damals gängige Heldentypen durchbrochen wurden oder das konsequente vorführen französischer Vorurteile bis hin zu politischen Satire.
Und mir Ferri und Conrad ist die Serie auch recht gut im Heute angekommen.
Im neusten Band werden die beiden Gallier unter anderem mit einem Matriarchat konfrontiert und stolpern da selber über ihre eigenes chauvinistische Weltbild.
Querdenker gibt es auch. Ich kann es nur empfehlen. Musste oft laut lachen.