Comics per Controller

Frankobelgische Comics erleben derzeit ein kleines Videosspiel-Revival. Was taugen die neuen Titel und was macht eine gute Comic-Versoftung aus?

Von Asterix bis Lucky Luke, von Isnogud bis zu den Schlümpfen: Seit den 1980ern können Spieler*innen diese gezeichneten Abenteuer auch digital erleben. Aktuell buhlen gleich drei neue Titel um die Aufmerksamkeit comicaffiner Zocker. Zeit für eine kleine Bestandsaufnahme.

Video- und Computerspiele, die auf Comics basieren. Was für ein Monsterthema! Habt ihr ein bisschen Zeit mitgebracht? Gut, dann beginnen wir mit allem, was nicht Teil dieses Artikels sein wird – nämlich den prominenten Bildergeschichten aus dem amerikanischen und japanischen Sprachraum. Kein The Darkness, Aliens vs. Predator, Garfield oder Darksiders, kein Micky Maus und Donald Duck, kein Conan oder Cadillacs and Dinosaurs; und vor allem keine Marvel- und DC-Titel. Zum einen würde das jeglichen Rahmen sprengen, zum anderen gibt es weit geeignetere Autoren für einen Galopp durch die Videospielgeschichte von Bat-, Spider- oder Superman. Auch den Manga, Vorlage für viele Hundert japanische Games, hebe ich mir für ein anderes Mal auf – schließlich ist es uferlos, wie viele Titel aus allen Epochen und Genres zu Dragon Ball, Naruto oder Astro Boy, zu Attack on Titan, Fist of the North Star oder Berzerk existieren. Um nur einen Hauch der Marken anzusprechen, die den Weg vom (rückwärts gelesenen) Comic zum Videospiel bestritten…

Gehobene Standardkost: der Game-Boy-Hüpfer Asterix (1993).

Bravo, erstmal schön den Mund wässrig gemacht mit Dingen, die hier nicht stattfinden. Doch es ist ja nicht so, dass nun nichts Spannendes mehr übrig wäre. Ich möchte mich dem prominentesten Sektor der europäischen Bildergeschichten widmen: dem frankobelgischen Comic, dem bande dessinée. Dessen bekannteste Vertreter – Asterix, Tim und Struppi, Lucky Luke und Die Schlümpfe – bringen es ihrerseits auch auf einige Dutzend Umsetzungen als Videospiele. Ich selbst bin zum Beispiel nicht nur mit den mindestens jährlichen Ausstrahlungen der wunderbaren Asterix-Filme aufgewachsen, sondern auch mit dem gelungenen Plattformer Asterix für Game Boy – den hat der kleine Matthias sehr gemocht. Doch auch Comics aus der zweiten oder dritten Reihe wurden immer wieder mal mit Versoftungen bedacht: Spirou und Marsupilami gab es als Jump’n’Runs für Mega Drive, auch Großwesir Isnogud (vom Asterix-Autor Goscinny) wilderte auf PC und PlayStation in ähnlichen Gefilden; verantwortlich für letzteren Titel war übrigens eine Firma namens Microids, die uns später noch einmal begegnen wird.

Retro-Archäologie

Grabe ich mich durch die Geschichte, stoße ich auch auf kaum bekannte Heimcomputer-Titel zu z. B. Turlogh der Streuner oder Reisende im Wind. Beide Comics wurden in den 1980ern für Amstrad CPC umgesetzt, und zwar nicht als Actionspiele sondern als interaktive Bildergeschichten: Les Passagers du Vent (1986) und Turlogh le Rôdeur (1988). Auch zu den Comics Largo Winch oder Blake & Mortimer gibt es Abenteuerspiele: Largo Winch: Empire Under Threat (2002) war ein anständiges 3D-Adventure von Ubisoft, The Interactive Adventures of Blake and Mortimer: The Time Trap (1997) hielt sich mit seiner Comic-Optik eng an die Vorlage, namentlich den neunten Band der Blake-and-Mortimer-Reihe.

Turlogh le Rôdeur von Cobrasoft für den Amstrad CPC.
Les Aventures de Blake et Mortimer: La Marque Jaune, erschienen für CPC (Bild) und den Atari ST.

Qualitativ waren vor allem die Spiele zu den großen Marken – zu Asterix, den Schlümpfen oder Lucky Luke – oft nicht das Gelbe vom Ei. Vielfach handelte es sich dabei um mäßig kreative und überschaubar aufwändige Spiele für ein junges Publikum; ein Schicksal, das sie mit zahlreichen Film- oder Cartoonversoftungen der 8-, 16- und 32-Bit-Zeit teilen. Auch die grafische Herangehensweise an Comic-Umsetzungen kann heikel sein, hat die Hauptzielgruppe – der/die Liebhaber*in der jeweiligen Bildergeschichten – doch stets eine sehr konkrete Vorstellung von seinen Held*innen und deren Welten. Von 1980 bis Mitte der 1990er Jahre musste freilich der gemeine Pixel herhalten, um die Comic-Kosmen auf dem Bildschirm nachzubauen. Das gelang, je nach Hardware-Power und Talent der Coder, mal besser und mal schlechter – ansehnliche Comicspiele gab es aber durchaus, z.B. Lucky Luke (SNES, 1997) oder Asterix (Arcade, 1992).

SNES-Spätwerk: Lucky Luke (1997) aus dem Hause Infogrames war ein gelungener Puzzle-Plattformer.

Im Polygon-Bereich finde ich den Spagat zwischen Vorlage und Spiel meist noch heikler. Erst seit einige der Comics als moderne CGI-Animationsfilme umgesetzt wurden, allen voran Die Schlümpfe, wirkt eine Versoftung als 3D-Spiel authentischer, wenn man jedoch schon die Kino-Vorlage grauenhaft findet, hilft das freilich wenig. Eine der berühmtesten Comic-Umsetzungen ist natürlich XIII: Der erstmals 1984 erschienene Agententhriller wurde 2003 als Ego-Shooter wiedergeboren, die Cel-Shading-Optik passte super zur Vorlage und auch in spielerischer Hinsicht heimste Ubisofts Ballerei viel Lob ein.

Der 3D-Look von Die Schlümpfe – Mission Blattpest geht in Ordnung. Wusstet Ihr, dass Peyos Comic-Helden im Original „Les Schtroumpfs“ heißen?

Die neue Grafikpracht?

Seit hochaufgelöste Comic-Grafik, die den Originalen in puncto Schärfe, Animationen und Detailverliebtheit in Nichts nachsteht, für moderne Konsolen kein Problem mehr darstellt – und das ist spätestens seit der Generation PS4 und Xbox One so –, haben sich die Voraussetzungen für Comic-Umsetzungen nochmals verbessert. Im Manga-Sektor hat das schon hervorragend geklappt (z.B. bei Dragon Ball FighterZ), im frankobelgischen Sektor läuft das gerade erst an. Aber wenn hübsche Hüpf- und Abenteuerspiele mit Comicgrafik, wie Toki oder Wonder Boy: The Dragon’s Trap, möglich sind, dann steht einem Revival der Bande-dessinée-Spiele eigentlich nichts im Wege. Und tatsächlich sind in den vergangenen Wochen gleich drei solche Titel erschienen – und zwar beim französchen Publisher Microids.

Asterix & Obelix: Slap them All! durfte ich bereits für WASTED besprechen – klickt gerne mal rein. Der Dauerklopper ist zwar etwas monoton auf der Brust, doch das Kampfsystem flutscht und allein schon wegen der schmucken Grafik sollte jeder Liebhaber der gallischen Vorlage einen Blick riskieren. Ob ich diese Empfehlung auch für Die Schlümpfe – Mission Blattpest aussprechen würde? Ich weiß nicht. Trotzdem habe ich ein paar launige Stunden mit diesem Luigi’s Mansion light verbracht. Mit einem Tausendsassa-Staubsauger, der als Turboboost, Jetpack und Hochdruckreiniger fungiert, kärchert man sich einmal quer durch den Schlumpfwald und meistert ein paar ausgefuchste Plattform-Passagen. Wer Kinder im Haus hat (und dann vermutlich auch eine Switch), der sei gewarnt: Bei ein paar kniffligen Collectibles könnten Mama oder Papa an den Controller gerufen werden – und denen fällt dann vermutlich auch das grausige Geruckel der Nintendo-Version auf.

Quelle surprise!

Springen & Rennen: Marsupilami – Hoobadventure könnte im Lexikon unter dem Eintrag „Jump’n’Run“ stehen.

Matthias Schmid

Liebt junge & alte, pixelige & bombastische Videospiele, seine zwei Katzen und koffeinhaltige Brausen.

Am positivsten überracht hat mich ein Spiel, das vor dem Anzocken auf meiner Most-Wanted-Liste für das Jahr 2022 ungefähr auf Platz 365 rangierte: Marsupilami – Hoobadventure. Das neue Hüpfspiel mit dem belgischen Fantasietier gibt es für fast alle Plattformen – und Jump’n’Run-Freund*innen sollten sich das wirklich nicht entgehen lassen. Ich sage nur drei Worte: Donkey. Kong. Country. Ohne Flachs! Natürlich wird Hoobadventure nicht in die Annalen der Spielegeschichte eingehen, aber das Ding steuert sich 1a, sieht grafisch blitzsauber aus und hat einen ausgesprochen feinen Flow. Blitzschnelle Walljumps, satte Stampfattacken, sauberes Leveldesign und obendrauf massig Collectibles, die euer Gehirn mit angenehmen Belohnungssounds überlisten. Marsupilami – Hoobadventure hinterlässt der Nachwelt ungefähr null eigene Ideen, vermengt bereits Bekanntes und Erprobtes aber so kompetent und leichtfüßig, dass ich aus dem Bauch heraus glatt eine 80 zücken würde.

Ob man an diesem Release-Trio innerhalb eines so kurzen Zeitraums eine rosige Zukunft für Comic-Umsetzungen ablesen kann? So weit würde ich mich noch nicht aus dem Fenster lehnen. Aber es zeigt es, dass Entwickler und Publisher nach wie vor Interesse an den ollen Bildergeschichten haben. Im zweiten Schritt wäre dann vielleicht auch Genres denkbar, die nicht zwingend für Kinder geeignet sind oder der Vorlage eine überraschende Komponente hinzufügen. Wenn Mario, die Rabbids und bald sogar Metal Slug taktische Rundenkämpfe können, warum dann nicht auch Asterix? Auch ein modernes Tim-und-Struppi-Adventure auf dem Niveau der Deponia-Titel fände sicher seine Anhängerschaft. Und wenn dann noch 2023 Lucky Luke in Fortnite schneller zieht als sein Schatten, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Weltherrschaft.

Mythos zum Spielen: Treasures of the Aegean

Der spanische Indietitel Treasures of the Aegean hat keine (frankobelgische) Comic-Vorlage – aber er sieht aus wie eine schicke Bildergeschichte. Deshalb möchte ich ihn euch im Rahmen dieses kleinen Specials ans Herz legen. Im Spiel macht sich die Grabräuberin Marie Taylor auf die Suche nach kostbaren Artefakten aus der Sagenwelt der Minoer. Einen überaus spannenden Kosmos haben sich die Entwickler*innen da ausgesucht – ist sich doch selbst die Wissenschaft teilweise noch uneins über diese erste europäische Hochkultur.

Treasures of the Aegean erinnert an Pulp-Abenteuer, wenn Marie von einer Söldnerarmee flieht oder sich mit ihrem Partner über den Erlös der erbeuteten Stücke streitet. An anderer Stelle wird es mysteriös – als Spieler war ich ständig gespannt, welche Geheimnisse die Spielewelt bisher noch vor mir verborgen hat. Klugerweise vermengt der Titel diese Aspekte mit einer raffinierten Zeitschleifenmechanik und toller Spielbarkeit. Marie wetzt wie eine Parkour-Sportlerin im Fullspeed über Hindernisse und schwingt à la Pitfall Harry 4.0 an Lianen umher – derweil wird die Karte der gigantisch großen und herrlich verwinkelten 2D-Welt Stück für Stück offengelegt.

Treasures of the Aegean arbeitet mit Stilmitteln des Comics – und setzt auf kräftige Farben.

Wer sich nicht daran stört, die eigenen grauen Zellen zum Vorankommen bemühen zu müssen, der erlebt ein mythologisch angehauchtes Action-Abenteuer, dass die Grabräuber-Thematik schöner aufgreift als die letzten drei Badass-Tomb-Raiders zusammen.

7 Kommentare


Kommentare

  1. mmmhhh… welch Delikatesse. Wieder so ein fein abgeschmeckter Schmankerl-Artikel von 5-Sterne-Schreiber @MatthiasSchmid . :man_cook:t3:
    Und noch fein garniert mit dem Zuckerl-Tipp Treasures of the Aegean. Excellent.

    Als großer Asterix-Fan warte ich gerade ungeduldig darauf, dass Slap them all im PSN-Store deutlich unter die 40€ sinkt. Dann SCHLAG ich zu. :blush:

    Und mit Lucky Luke verbinde ich eine meiner ersten Erinnerungen an elektronische Unterhaltung…

    ein Orlitronic-Handheld aus Anfang der 1980er. :smiley:

  2. Avatar for Fabu Fabu says:

    Ui, beim LCD-Spiel schießen Erinnerungen hoch. Hach.

  3. Sehe gerade, dass es aus der Reihe passend zum Artikel auch ein Schlümpfe-Spiel gab… Orlitronic Handheld Games ▷ Retro Handheld Games
    Was war das guter Stoff damals. :grinning: Von den Orlitronic-Dingern hatte ich aber tatsächlich nur Lucky Luke. Unfassbar, dass man damit viele, viele Stunden verdaddeln konnte. Wir hatten ja nichts. :wink:

  4. :joy:
    Gibt´s eigentlich ´ne gute „Clever + Smart“ Versoftung? Die hab ich geliebt als ich so 12-13 war…und später alle Bände im Antiquariat verkauft, für Disco und so^^
    Aber auf Asterix +Obelix hab ich schon bei Deiner Besprechung hier Lust bekommen, neues Genre (für mich) in geliebtem Setting, klingt gut!

  5. Avatar for Bonito Bonito says:

    Für mich teilen Comics und Computerspiele die selbe DNA. Die Freude am Eskapismus in fremde Welten, die Kommunikation von Emotionen und ‚Weltsichten‘ alleine durch visuellen Stil und ganz generell das Spiel mit visueller Abstraktion (Spiele und comics wagen in der Hinsicht viel mehr als Filme und Serien). Ich liebe es, wenn Spiele nicht in der tausendsten Pixeloptik daherkommen, sondern wie gezeichnet aussehen oder sogar handgezeichnet sind. Die Spiele von supergiant zum Beispiel, oder dieses rundenbasierte Wikinger-Rpg, wie hieß das denn noch? Ich komm nicht drauf…
    Ich habe mich dieses Jahr auch total über sable gefreut, ich will das unbedingt mal spielen wenn ich die Zeit finde, ich bin ja wirklich ein Fan von jean giraud und die Idee, selbst durch eine hermetische Wüste zu reisen, boah, allein der Trailer hat mir Lust gemacht wie wenige Spiele in letzter Zeit.
    Übrigens hab ich gerade sehr viel Spaß auf meinem Handy mit Battlechasers: Nightfall, das ist auch eine comicumsetzung und eine richtig gute!

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