Halo Infinite – Hello Empty World!

Der Xbox-Shooter hätte das Zeug zu einem echt großen Spiel gehabt. Hätte!

Kultmarke, Shooter-Legende, moderner Klassiker! Natürlich kann man Halo: Combat Evolved aus dem Jahr 2001 guten Gewissens so bezeichnen. Und Halo Infinite, dem wichtigsten Xbox-Release seit Jahren, dann unterstellen, das nächste Kapitel im Mythos Halo aufzuschlagen. Irgendetwas muss man ja schreiben, um seine Leser*innen anzulocken. Da tut es immens gut, wenn man das Spiel schon in der Einleitung als heiß ersehnten, neuen Teil einer Mega-Franchise anpreisen kann – nur um das aufgebaute Bild dann im nächsten Moment wieder einzureißen. Da ist sie, die Schlagzeile: Enttäuscht seine Fans! Ein Bugfest! An den eigenen Ansprüchen gescheitert!

Passt Halo Infinite in dieses Schema? Nun, die Serie ist so eine richtig große Nummer, ein Zugpferd für die Xbox-Konsolen, eine Spielemarke, die fast jeder kennt. Und weil seit dem letzten Ableger, Halo 5: Guardians, über sechs Jahre ins Land gezogen sind, ist hier auch die den Fans unterstellte Sehnsucht gegeben – gerade im Vergleich zu FIFA, CoD & Co. ist die Veröffentlichtung eines neuen Halo-Teils tatsächlich etwas Besonderes. Dementsprechend hoch ist natürlich auch die Fallhöhe: Entwickler 343 Industries erlebte einen Vorgeschmack auf ein mögliches Scheitern bereits auf der E3 2020 – die Grafik der mehrminütigen Spielszenen-Demo war alles andere als beeindruckend, so sollte das fertige Spiel der Weltöffentlichkeit nicht unter die Augen treten. Schweren Herzens flog Halo Infinite aus dem Launchfenster der neuen  Xbox-Konsolen Ende 2020, es sollte letztlich sogar noch ein weiteres Jahr bis zur Veröffentlichung dauern.

Halo Infinite Ego-Shooter

Plattformen
Xbox One, Xbox Series
Release
08.12.2021
Entwickler
343 Industries
Publisher
Xbox Game Studios
USK
ab 16
Links
xbox.com

Das Ergebnis, so viel möchte ich an dieser Stelle vorwegnehmen, taugt nicht für die eingangs in den Raum gestellte Schlagzeile. Halo Infinite ist zwar nicht der erhoffte große Wurf geworden, ein Reinfall ist es aber noch weniger. Und doch wäre, verzeiht mir die schon viel zu oft bemühte Formulierung, so viel mehr drin gewesen. Nicht wenige Spieler*innen, darunter auch ich, hatten bei der Enthüllung im Juni 2018 – da war der Titel bereits seit über zwei Jahren in der Planungsphase –, beim ersten Blick auf die Spielwelt auf eine kleine Revolution gehofft: Könnte 343 Industries den Coup wiederholen, der Nintendo mit The Legend of Zelda: Breath of the Wild gelang? Die Einbettung des bewährten und beliebten Spielkonzepts in eine offene Welt, die mich mit Tausend kleinen Geschichten umgarnt und mich zum größten Entdecker werden lässt. Die mich permanent verführt, noch auf den nächsten Berggipfel klettern – weil bei den letzten zehn Gelegenheiten, als ich mich vom eigentlichen Ziel weglocken ließ, immer etwas Interessantes, Spannendes oder Lustiges passiert war.

Diese Hoffnung schürte jener First Look auf Halo Infinite vor über drei Jahren: Es gab keinerlei Ballereien zu sehen, dafür prasselnden Regen, äsende Alienhirsche, mysteriöse Inschriften und Relikte, verlassene Soldatencamps, wandernde Tierherden, einen Blick auf Strand und Meer. Nichts davon findet sich im fertigen Spiel wieder! Ich weiß, damals war am Traileranfang in zarten Lettern „Game Engine Demonstration“ zu lesen, nicht „short look on what to expect in final game“. Trotzdem bin ich enttäucht: Weil ich in den letzten fünf Jahren so oft erlebt habe, welch’ enormen Spaß es bereiten kann, eine offene Spielwelt zu erforschen. Nicht nur im letzten Zelda, sondern z. B. auch in Horizon: Zero Dawn, Ghost of Tsushima oder Assassin’s Creed Odyssey. Mängel gab es auch da: In Aloys Welt vermisste ich eine Kletterfunktion, in Japan lagerten die feindlichen Mongolen mitunter gefühlte zehn Meter neben der Samurai-Festung, und im antiken Griechenland hatte Ubisoft natürlich viel zu viele Räubercamps installiert. Und doch fühlten sich diese virtuellen Lande wie ein lebendiges Okösystem an, in dem virtuelle Bewohner*innen ihren Tätigkeiten nachgehen, und wo findige Weltenbauer*innen so viele kleine Geschichten und Geheimnissse eingebaut hatten, dass ich mich als Spieler animiert fühlte, mir alles haarklein anzuschauen.

Halo Infinite

Technisch blitzsauberes Shooter-Paket mit enttäuschender Spieltwelt aber exzellentem Gunplay

Höhe in Disketten
103,26 m
Spieltiefe
45 bar
Ist das noch Indie?
2%
Gewalt
0,4 Doom
Eleganz
7,5
Metascore-Abweichung
-8

25 Kommentare


Kommentare

  1. Avatar for Fabu Fabu says:

    Ich habe zuerst „Alienärsche“ statt „Alienhirsche“ gelesen und fand’s sinnvoll. :thinking:

  2. Jeder Text von @MatthiasSchmid ist ein Fest. Danke dafür! :+1:t3: (und ich hab’ nicht mal 'ne Xbox.)

  3. ich war und bin xbox-mensch, eine playstation hatte ich tatsächlich noch nie. entsprechend ging die halo-serie natürlich auch an mir nicht vorbei. wobei ich erst mit der masterchief-collection (2014) angefangen habe.

    mir hat die mischung aus kompromisslosem shooter und story-fragmenten gut gefallen. mir macht es spaß mich in ein universum „einzuarbeiten“ (ohne eine wissenschaft draus zu machen) und über das spiel hinaus z.b. durch bücher mehr darüber zu erfahren. deshalb mag ich z.b. destiny sehr.

    umso mehr betrübt mich zu lesen, dass die ohnehin immer spärlichen storyelemente im neuen teil auch noch schlecht sind. vor allem weil, wie matthias schmid schon geschrieben hat, nicht ständig ein neues halo rauskommt.

    aber naja, neue chance mit der nächsten xbox. ich hab ja eh das gefühl, dass halo nur noch weitergeführt wird, um irgendwas zum konsolenlaunch zu haben - und jetzt klappt nicht mal mehr das :smile:

  4. Warum erst mit der nächsten Xbox? Ich habe eine Series X und Halo unterhält mich ganz gut. Die Geschichte ist für mich noch nebensächlich.

  5. gefühlt kommt immer dann ein neues halo, wenn eine neue konsole erscheint.

  6. Oh … Das war mir nicht bewusst. Danke … Aber es kommt bestimmt von ein Teil vor der nächsten Xbox.

  7. Avatar for Fabu Fabu says:

    Danke, ich richte Trant und der Redaktion liebe Grüße aus. :grinning_face_with_smiling_eyes:

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