Wir sind mit Spielen groß geworden. Jetzt werden unsere Kinder mit uns groß. Bleibt zwischen Windelwechseln, Krabbelgruppe und Breifütterung überhaupt Zeit zum Spielen? Was geben Games uns mit auf dem Weg mit Nachwuchs? Geben wir unsere Liebe zu virtuellen Welten weiter? Hier gibt es Monat für Monat eine Heldinnen-Reise von der Geburt bis zum ersten eigenen Griff zum Controller.
Elternzeit gleich am Anfang nehmen? Man muss da ja auch aufs Geld schauen. Und eigentlich bin ich da ja auch als Mann eher noch unnötig zuhause. Stillen und so. Beim Mittagessen kurz vor der Geburt hatte mich ein Kollege verwundert angeschaut. Oder ist es ein kritischer Blick? Man könnte ja auch kurz Urlaub nehmen und dann später, wenn man mit dem Kind auch etwas anfangen kann… Also so hätte er das zumindest damals gemacht.
Wir liegen zu dritt im Bett, als sich die Gedanken wieder langsam in meinen Kopf schieben. Verbaue ich mir hier etwas? Uns? Bin ich hier richtig? Und wenn ich hier falsch wäre, warum fühlt sich dann gerade alles richtig an?
Wenn ein Kind geboren ist (und meistens auch, wenn eine Schwangerschaft bekannt wird), dann kommen sie: Die Ratschläge. Gute und auch schlechte. Schön, wenn wir um sie bitten. Anstrengend, wenn wir nicht um sie gebeten haben.
It takes a village to raise a child.
Und wie die Dorfbewohner*innen versammeln sich die Menschen in unserem Leben um uns, um teilzuhaben. Sie setzen sich ins Auto, fahren 400 Kilometer, lassen Geschenke da, wollen Pate sein und fahren noch am Abend wieder. Sie bringen das Hot-Dog-Paket von Ikea vorbei – und wir essen eine Woche nichts anderes mehr, weil diese Pakete eigentlich für zwanzig Personen gedacht sind. Sie bringen eine Schafswolldecke vorbei, damit das Kind weich und warm liegt.
Hilfe zu bekommen ist ein wunderschönes Gefühl. Ungefragter Rat zum richtigen Ablauf eines Lebens mit Kind ist hart. Was ist eigentlich jetzt dran für uns? Die ersten Wochen mit unserer Tochter fühlen sich an, als habe ein Ubisoft-Studio sie programmiert. Überall blinken Hinweise auf unserer Lebensmap auf. Für jede Quest, die wir hier abarbeiten, ploppen zwei neue auf. Mit jedem Turm, auf den wir steigen, werden die Aufgaben und Möglichkeiten und Entscheidungen mehr und mehr und mehr und mehr und mehr und mehr und mehr und mehr und mehr.
Wir stehen in einer Open World mit einem kleinen Bündel Leben, dabei wollen wir doch nur… Ja, was eigentlich? Rituale. Struktur. Den Überblick behalten. Weniger von allem. Dass unsere Geschichte hier vielleicht mal ein bisschen klarer aufgebaut ist. Aber niemand erzählt sie für uns. Wir lernen, dass wir diese Struktur selbst machen müssen – und teilen uns die Tage ein. Solange es unsere Tochter eben zulässt. Meist sieht das bei uns so aus:
Stillen. Schlafen. Hebamme kommt. Tee trinken und Fragen stellen. Stillen. Schlafen. Mittagessen. Stillen. Schlafen. Spazieren. Baden. Abendessen. Gute-Nacht-Geschichte. Stillen. Schlafen. Fernseher.
Wir sind vollgepumpt mit Hormonen, lachen manchmal einfach so, weinen manchmal einfach so.
Unsere Tage bekommen Kapitel, die nur aus ein paar Sätzen bestehen. Manche auch nur aus einzelnen Wörtern. Das gibt Halt. Genau wie das Vorlesen. Jeden Abend gibt es ein Kapitel aus Pippi Langstrumpf, Michel von Lönneberga, Ronja Räubertochter. Unser neues Ritual. Kennen wir schon. Ist gut. Wir sind beide vollgepumpt mit Hormonen, lachen manchmal einfach so, weinen manchmal einfach so. Alles ist Gefühl. Die narrative Leitplanke gibt Halt.
So geht es mir auch, wenn die beiden abends nebeneinander im Bett liegen, schlafen – und ich noch kein Auge zukriege. Wenn ich die Konsole anmache. Für meine erste Elternzeit habe ich nochmal „Uncharted“ rausgesucht. Das ist wie einen Film anschauen, den ich in- und auswendig kenne. Überschaubare Länge, keine Aufgaben, kein Zurück, nur nach vorne – und jemand erzählt die Geschichte für mich.
Bisschen klettern, bisschen schießen, bisschen schmunzeln. Mehr wird hier nicht von mir verlangt. Ich fange ganz vorne an. „Uncharted: Drake’s Fortune“ ist 2007 erschienen. In seinem ersten Abenteuer geht Glücksritter Nathan Drake auf die Suche nach dem Schatz seines Piraten-Urahn – und bedient sich ausgiebig bei „Tomb Raider“ und „Indiana Jones“. In den Ruinen von „Uncharted“ versteckt sind Piraten-Dings, natürlich gibt es noch Schmuggler-Dings und auch Nazi-Dings.
Entscheidungen treffen? Das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden? Rat suchen? Rat bekommen? Ist hier unnötig. Es gibt zwar auch in „Uncharted“ den väterlichen Victor Sullivan, aber wozu sollte der mir hier vor dem Bildschirm auch raten? „Lauf geradeaus, wenn du Vorsprünge siehst, zieh dich hoch, bis du oben bist.“ Danke Sulli, geht gerade noch so. Die Berge und Türme, die wir hier erklimmen, machen keine neuen Möglichkeitenhorizonte auf. Dort gibt es einfach eine schöne Aussicht. Es reicht, dass wir oben angekommen sind.
Nach dem Ende starte ich „Uncharted 2: Among Thieves“, in dem ich mit Drake in den Himalaya reise. Danach folge ich ihm in „Uncharted 3: Drake’s Deception“ in die Wüste. Okay, dass Geschieße nervt langsam. Ständig schieben sich hüfthohe Hindernisse und die dahinter lauernden Schurken zwischen mich und die Geschichte. Auch im Spinoff „Uncharted: The Lost Legacy“ – das ich noch kurz dazwischen schiebe – ist das nicht anders. Vielleicht ginge das auch anders? Zum Schluss reise ich in „Uncharted 4: A Thief’s End“ noch einmal um die Welt und dann wieder in die Karibik, in alten Ruinen kramen.
Und… Moment, wie soll denn das mit einem Neugeborenen im Nebenzimmer funktionieren? Fünf Spiele hintereinander im ersten Monat? Weil „Uncharted“ einen elternfreundlichen Umfang hat – wenn man den Schwierigkeitsgrad runter regelt. Wir sind schließlich nur wegen der Story und des Ausblicks hier. Der Abspann von Teil eins läuft schon am dritten Abend über den Fernseher, die nachfolgenden Teile sind zwar minimal länger, aber ebenso überschaubar. Und das Beste: Die Inszenierung ist so geradeaus, ein Film, zu dem sich Teresa oft noch etwas zu mir aufs Sofa legt und mitschaut.
Im Epilog von „A Thief’s End“ sehe ich kurz die Zukunft aufblitzen. Meine? Drakes? Mit einer Tochter, die schon groß geworden ist. Und sich selbst in Abenteuer stürzt, die nicht mehr meine sind. Vielleicht schafft sie es ja ohne zu schießen?
Speziell diese Kolumne hat mich dazu bewogen ne patrone zu werden. Wir werden selbst in ca 4 1/2 Wochen Eltern…
Eigentlich wollt ich nur mal kurz reinschnuppern in wasted und dann kommt hier einer mit so einem Thema um die Ecke Danke dafür! Besser hätte man mich nicht abholen können
Ich denke ich bin gekommen um zu bleiben
Herrlicher Text, in dem ich mich voll wiederfinde. Ich kann mich noch gut an früher erinnern, an die Zeit vor Frau und Kind. Da bin ich stundenlang abgetaucht in virtuellen Welten…schön wars.
Dann kam Frau und irgendwann Kind 1 und 2. Auch das war schön. Schöner noch als das zocken was ich so sehr liebte. Aber die Prioritäten waren plötzlich verschoben und Zeit anders verteilt.
Aber zocken hatte und hat weiterhin einen wichtigen Platz in meinem Leben. Aber die Zeit ist begrenzt und muss sinnvoll genutzt werden.
Stundenlang Symbole auf der Karte in Assassins Creed abklappern? Geht nicht! Immer und immer wieder die gleiche Stelle in Demon Souls angehen? Geht nicht! Dutzende Quests in Witcher 3 erkunden? Würde ich unheimlich gern, aber wann???
Uncharted ist das perfekte Spiel für junge FamilienväterInnen. Das Hobby Videospiel komprimiert in seiner reinsten Form: coole Optik, ein bisschen Gameplay, nette Story und Abenteuer, aber vorbei in 8 Stunden.
Seitdem ich Kinder habe, zocke ich fast nur noch Spiele die nicht übermäßig lang sind und eine schöne Geschichte erzählen. So wie wir uns als Menschen entwickeln und verändern, so passt sich auch unser Spiele Geschmack und Verhalten unserem Leben an.
Mein Sohn ist jetzt 15. Typischer pubertärer Typ, der sich am liebsten in seinem Zimmer einigelt und auf meiner PS4 (warum steht die eigentlich im Kinderzimmer? Ich hab die da nicht hingestellt) Fortnite spielt. Aber heute hat er mich doch glücklich gemacht.
Gestern hab ich ihn dazu überredet, mit mir Xbox zu spielen. „it takes two“ im Gamepass. Ein Spiel das man nicht alleine spielen kann, nur kooperativ, gemeinsam. Wir haben gespielt und gespielt, keiner wollte aufhören…irgendwann um 3 Uhr nachts wars vorbei und wir waren glücklich.
Heute meinte er zu mir: „Du Papa, dass war echt toll wir müssen viel öfter Zeit miteinander verbringen“. Ich war ein bisschen stolz und glücklich. Ob er sich morgen, in der nächsten Fortnite Online Runde noch dran erinnert weiß ich nicht, aber irgendwie verbindet unsere Liebe zu Games uns mit unseren Kindern ja doch. Und das ist schön.
Hi KaeptnFaulbaer, das freut mich. Alles Gute für euch!
Vielen Dank und danke für deine/eure Geschichte!
Ich bin auch Papa geworden und mir geht’s gerade ähnlich. Die Zeit mit der Tochter ist schön, aber auch manchmal sehr herausfordernd. Daher liebe ich es Abends noch was zu zocken. Und es stimmt wirklich: Es werden andere Spiele gespielt. Spiele wo man Pause drücken kann und nicht die Angst haben muss bei ner Runde lol oder Fifa das match vorzeitig verlassen zu müssen. Zocken ist mir ungemein wichtig geworden. Das war mir vorher gar nicht so klar. Es bringt mich runter,lässt mich abtauchen und irgendwie ist es auch ein wenig selbstregulierend. Gerade wage ich mich an hollownight, was ich unglaublich spannend und herausfordernd finde. Mal seheb was danach kommt. Die Liste ist lang. Ich denke aber, dass es elden Ring wird.
Viel Erfolg. Das Spiel kann manchmal mehr als nur herausfordernd werden.
Ich habe es erst vor kurzem beendet, nach fast 40h Spielzeit.
Wenn wir eh schon wieder dabei sind, möchte ich gleich 'nen Rant da lassen, warum nicht jedes Singleplayer-Spiel eine Pause- und freie Speicherfunktion hat. Das ist so dermaßen dumm, dass es schon frech ist.
Ja, genau! 1000x ja!