Pupperazzi – „Lieber das mit den Obsttieren“

Was ist süßer als ein Hund mit Herzchenbrille und Strohhut? Meine Kinder hätten Vorschläge.

Lange dachten wir, Niedlichkeit sei etwas unmessbar Unergründliches. Heute läuft die wettbewerbsmäßige Hundeverniedlichung in Endlosschleife auf allen sozialen Netzwerken. Meinen Töchtern gefällt das besser als mir. Wie gefällt ihnen das Hundefotospiel Pupperazzi?

Pupperazzi Simulation

Plattformen
PC, Xbox One, Xbox Series
Release
20.01.2022
Entwickler
Sundae Month
Publisher
Kitfox Games
USK
ab 0
Links
sundaemonth.itch.io

Pupperazzi erschien am 20. Januar gleichzeitig auf Steam, im Xbox Gamepass und auf Itch. Das sind schon alle wichtigen Infos. Der Rest erklärt sich von allein: In dem Spiel geht es darum, süße Hundefotos zu schießen und über doppelbödig dumme Witze zu schmunzeln. Es ist low-fi genug, um von einem Kleinstudio auf Itch.io veröffentlicht zu werden, hat aber genug Aufmerksamkeit generiert, um in den warmen Mantel des Xbox Gamepasses schlüpfen zu dürfen.

Ich mag Hunde, aber nicht auf Twitter. Das liegt an meiner Vorprägung. Wenn ich niedliche Hunde sehe, die sich scheinbar wie Menschen benehmen, habe ich schon die fachkundigen Tierschützer*innen in den Ohren: Das kann ich schon süß finden, aber dann finde ich halt eine Verhaltensstörung süß. Vielleicht ist es gestellt. Bestimmt ist es Tierquälerei. Das nimmt der Sache ihre Leichtigkeit.

Hier ist Pupperazzi besser als Twitter. Die Hunde wirken natürlich, sogar beim Malen, Skaten und Schaukeln. Im Zweifelsfall sitzen sie wie von den Entwickler*innen platziert da und schauen zufrieden. Brave Hunde! Ich laufe in Egoperspektive am Strand herum. Ein Rudel hüpft herbei. Die Hunde wollen, dass ich Stöcken werfe und sie streichle. Das wirkt natürlich! Und süß.

„Die Grafik ist nicht so toll.“, sagt Marlene (Name geändert). Meine ältere von zwei Töchtern ist Grundschülerin, und damit in einem Alter angekommen, in dem sie gern die Welt erklärt. Irritiert und wortlos hat sie mir zugeschaut. Vielleicht denkt sie gerade an die detailliert gerenderten Wildhunde von Planet Zoo. Wahrscheinlich fragt sie sich, warum ihr Vater altmodischen Quatsch spielt.

„Schau mal, der Hund macht einfach Steh auf dem Fahrrad! Das sieht doch witzig aus! Weil der sich nicht bewegt!“ Wer einen Witz erklären muss, der hat schon verloren. Marlene verzieht keine Miene.

Quantitätsmatrix

Pupperazzi will überhaupt keine realistische Fotosafari im Hundepark veranstalten. Es geht genau um die Freude daran, Dinge etwas zu einfach zu machen. Ich laufe in einer unmöglichen Hundewelt herum und mache süße Fotos und alle Interaktionen sind simpel und etwas absurd. Wenn ich Hunde streicheln will, manifestiert sich ein Armrüssel an meiner Seite, rubbelt den Hund, und Herzchen steigen auf.

Das ganze Spiel ist wie ein Besuch in einem Freizeitpark in dem die Angestellten so tun müssen, als sei das hier wirklich Hundeland. Der Horror wird nur angedeutet. Für meine Tochter ist diese Dimension glücklicherweise noch unsichtbar.

Ich lache über den sehr ernsten Barsoi mit Partyhut, der auf dem Eiswagen sitzt. Marlene schweigt.

„Marlene, ist das ein Pomeranian? Schau mal, der will spielen!“

„Aber der macht ja gar nichts.“

Marlene ist raus. Wenn der PC frei ist, will sie ihr Robbengehege in Planet Zoo überarbeiten. Sie findet es doof, dass die Hunde nur hopsen und sich sonst nicht richtig bewegen. Ich dagegen erliege der Faszination. Mindestens zehn Minuten feile ich am perfekten Foto von Tony Bark in der Halfpipe.

Es gibt zahlreiche Farbfilter und Effektlinsen, aber das Spiel bleibt schlicht. Länger als 20 Minuten am Stück kann auch ich nicht darüber lachen. Aber bei jedem Anlauf entdecke ich grandiose neue Szenen.

Marlene behält recht: Die Hunde hopsen auch bei näherer Betrachtung dumm hin und her. Der Witz steckt vor allem in der Inszenierung. Und wenn ich Fotos davon mache, fühlt es sich so an, als dürfte ich den Witz miterzählen.

Außerdem sind die Hunde gut getroffen. Genau diesen Gesichtsausdruck habe ich auch schon einmal bei einem kleinen Hund gesehen, der einen sehr großen Knochen gefunden hatte.

Mit der Zeit öffnet Pupperazzi Möglichkeiten, die Bilder zu manipulieren. Ich kann die Hunde kostümieren. Wenn ich Geige spiele, werden sie traurig. Mit meinen Fotos kann ich auch im Nachschlagewerk des Spiels neue Akzente setzen.

Dinge zu deuten ist eigentlich etwas für meine jüngere Tochter. Olivia (Name geändert) mag Hunde nicht besonders, ist aber eine meinungsfreudige Vorschülerin. Als ich ihr das Spiel zeige, fühlt sie sich vom Grafikstil innerhalb von Sekunden an Bugsnax erinnert: „Ich will lieber das spielen, wo man so Obsttiere fangen muss.“

Später am Tag gehen wir gemeinsam Mayonnaise pflücken und schießen sie auf das marodierende Weißbrot, während Marlene ihren Zoo erweitert. Die Kinder sind zufrieden. Pupperazzi spiele ich weiter – aber verstohlen, alleine, abends.

Fotoalbum

Noch keine Teaserbox ausgewählt

Fazit

Punkte: 72

Jan Bojaryn

Jan Bojaryn schreibt für Tageszeitungen und Kulturzeitschriften über Videospiele und vergleichbar wichtige Themen.

Meine Kinder haben ja recht. Es gäbe vieles zu kritisieren an Pupperazzi – aber fast jeder Kritikpunkt klingt wie ein Missverständnis. Pupperazzi ist mit voller Absicht oberflächlich, es sieht simpel aus, es macht keine Schwierigkeiten, es stiehlt mir nicht die Zeit. Es macht sich selbst zum Witz, ohne dass ich als Spieler mich veräppelt fühle. Dafür respektiere ich es, auch wenn ich nach ein paar Stunden fertig bin mit Hundefotos.

Pupperazzi

Wuff!

Höhe in Disketten
1,05 m
Spieltiefe
1 bar
Ist das noch Indie?
91%
Gewalt
0,01 Doom
Eleganz
3,9
Metascore-Abweichung
+1

12 Kommentare


Kommentare

  1. Avatar for Fabu Fabu says:

    Wuff!*

    * Lieb das Fotoalbum.

  2. Ich bin ja großer Hundefan, aber das Spiel lacht mich jetzt irgendwie nicht an. Vielleicht sehen das meine Kids aber anders :wink:

  3. Avatar for Adrian Adrian says:

    Naja ich habe das Bild von unserem gepostet, weil es ein bisschen sagt „lass den scheiß, kümmer dich lieber um mich“.

    Natürlich spiele ich Pooperazzi nicht

  4. Avatar for Fabu Fabu says:

    james franco GIF

  5. Avatar for VfBFan VfBFan says:

    Hört sich seltsam an …

  6. Avatar for Adrian Adrian says:

    Wieso gibt es eigentlich noch keinen Tierthread in dem Photos von Haustieren, süße Katzenbilder und sich über die grenzwertigen Praktiken in der influencer-bubble eucheffieren kann?

    Ich muss den Artikel eigentlich nochmal besser lesen (nur ganz schnell überflogen), weil eigentlich klingt es ja ohnehin danach die süßen Haustierbilder von tiktok und Instagram nachzustellen und es blendet dabei auch die Tierquälerei aus. Wurde darauf im Artikel eingegangenen?

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