Ist es wirklich so einfach? Ja. Wir können es auch kompliziert machen, aber schon aus den simpelsten Gründen ist The Lost Legacy besser, als alle Uncharteds zuvor. Ich habe einen Strauß daraus geflochten.
Ich liebe Uncharted. Das zuzugeben, fühlt sich für mich wie ein Geständnis an. Noch schuldiger kann sich das Guilty Pleasure kaum anfühlen: Als egozentrisches Würstchen auf der Suche nach den letzten ungehobenen Schätzen der Welt hinterlässt Nathan Drake eine Schneise, die mit jedem Abenteuer nur noch tiefer und breiter wird. Er macht Urlaub im Elend anderer Menschen – und wo vorher kein Elend war, da schießt er mit Raketenwerfern auf Hubschrauber. Uncharted ist Kolonialismus im Remix. Es ist die Geschichte eines sympathischen Hallodris, der für einen MacGuffin 800 Menschen erschießt und drei Tempel abreißt.
Es ist eine Serie mit eingebautem schlechten Gewissen. An den Rändern, den überraschend ausführlich recherchierten Kulissen, den interessanteren Nebencharakteren kann ich es ahnen: Es weiß selbst, wie dumm es ist. Das macht es nicht besser. Auch die Reparaturversuche in späteren Spielen stören mich eher. Wenn hier irgend jemand wirklich über Konsequenzen reden möchte, müssten wir das mit dem Massenmord noch einmal genauer betrachten.
Noch nie war ein Indyspiel so AAA
Wer näher an Nathan heranrückt, kann die Ratlosigkeit riechen. Seine Abenteuer sind immer aufsehenerregend, aber nie neu. Ziehen wir Indiana Jones und Tomb Raider vom Spiel ab, stehen wir mit einem Heißluftballon da: Das Alleinstellungsmerkmal der Serie ist ihr Maximalismus. Noch nie hat ein B-Movie auf meiner PlayStation so echt ausgesehen. Noch nie hat ein Entwicklungsstudio Star-Wars-Wischblenden auf Plattformen umgesetzt, die das wegen der Ladezeiten zwischen zwei Szenen eigentlich nicht können sollten. Uncharted ist die Zugszene, die mit dem Flugzeug und der Wüste, mit dem plötzlich aus dem Nichts aufgetauchten Troy Baker, der im furchteinflößend realistisch gerenderten Körper eines Gebrauchtwagenhändlers lebt.
Gespielt wurde dazu sehr lange das, was wir so ähnlich aus Tomb Raider kannten. Etwas rätseln, immer wieder klettern, viel schießen. Rätselhafterweise denkt Uncharted, es müsste auch ein sehr ernst gemeinter Covershooter sein, in dem die Kampfarenen schon von weitem erkennbar sind, und in denen immer mindestens eine Gegnerwelle zu viel heranrollt.
Geliebt habe ich das Spektakel, die für den Kontext viel zu gut geschriebenen Dialoge, das Ensemble lebendiger Charaktere, die Ruinen und den Ausblick. Aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei. „Nachdenken“ heißt in Uncharted „Rätseln“. Jede andere Form von Denken macht die Spiele schlechter.
So ungefähr habe ich die Serie gesehen, bevor Chloe Frazer und Nadine Ross die Tür zu Nathans Hobbykeller aufgesprengt und ihm die Fresse poliert haben – im übertragenen Sinn.
Hier fangen übrigens die Spoiler an.
Chloe Frazer ist der Star von Uncharted: Lost Legacy, und Nadine Ross ist ihr Sidekick. Der Ansatz ist klug. Beide kennen wir schon. Aber die Besetzung ist eine Überraschung. Statt Heldinnen treten eine Glücksritterin und eine humorlose Söldnerin an. In wenigen Szenen wird Chloe neu eingeführt: Sie hat Mitgefühl für eine Kriegswaise. An einem Kontrollpunkt wird sie von chauvinistischen Soldaten bedrängt und zügelt mühsam ihre Wut. Dann trifft sie sich mit der skrupellosen Nadine Ross und markiert ihr gegenüber die Chefin. Das reicht schon, damit sie mir einerseits sympathisch ist, ich mir aber andererseits Sorgen mache.
Seit Teil 2 versucht Uncharted immer wieder, tiefere Bedeutungsebenen zu erreichen, und gleichzeitig eine Brücke zu sprengen. Aber hier funktioniert es wirklich: Chloe und Nadine sind zwei faszinierende Charaktere mit starken Motivationen. So kann Naughty Dog genüsslich den Trumpf der Serie ausspielen: Small Talk. Kein mir bekanntes Spiel (außer Spezialisten wie Oxenfree) kann Charaktere so plastisch einfach nur über das nebenbei durchlaufende Geplauder aufbauen, wie die Uncharteds. Nirgendwo klingt das so natürlich. Und diese Stärke ist mit jeder Fortsetzung gewachsen. Noch nie habe ich gesehen, wie sich aus natürlicher Abneigung so zwingend eine so innige Freundschaft entwickelt, wie hier.
Durch diese Linse sehe ich das ganze Spiel. Die Geschichte von Lost Legacy handelt davon, wie Chloe einen Teil ihrer Vergangenheit und der eigenen Menschlichkeit wieder entdeckt. Die besondere Pointe liegt darin, dass Nadine ihr dafür Räuberleiter gibt. Durch die Sorge füreinander überwinden beide ihren Egoismus. Das ist nicht irre originell, ergibt aber mehr Sinn und ist am Ende deutlich runder, als jedes einzelne von Nathan Drakes Abenteuern.
Hinterm Horizont ist dann auch mal gut
Wohltuend ist auch die Länge von Lost Legacy – es fühlt sich an, wie eine Netflix-Staffel. Das Abenteuer bekommt genug Platz zum Atmen, jeder Ausblick wird mindestens einmal angeteast und später ausgekostet. Aber dann hört es auch auf. Das konnte Nathan nie, er brauchte immer noch eine Extrawurst, noch einen Raketenwerfer und noch eine übererklärte Extraszene.
Die kürzere Geschichte erlaubt auch den engeren Fokus auf genau zwei Charaktere. Der Bösewicht und ein spät eingeführter Nebencharakter bleiben blass, das ist OK. Im Herzen des Spiels steht ein längerer Betriebsausflug mit dem Jeep. Technisch ist das Kapitel ähnlich wie in Uncharted 4 umgesetzt, aber hier trägt es eine größere Bedeutung. Hier kann ich mit Chloe und Nadine in aller Ruhe das eine oder andere Weltkulturerbe abreißen und dabei miterleben, wie sie einander näherkommen.
Deutlich zügiger entwickelt sich das Abenteuer auch deswegen für mich, weil ich wie Christian die Schwierigkeit herunterregle. Langwierige Schusswechsel bleiben die größte Schwäche der Serie; viel besser werden sie auf der leichtesten Schwierigkeit, dafür ohne Nachladen und ohne Deckung. Dann sehen die Kämpfe endlich aus, wie bei Indy – statt sich ständig hinter Kisten zu ducken, stürmt Chloe auf die Gegner zu, knockt sie aus, greift sich ihre Waffe und ballert das Magazin leer.
Fortschritt an der Oberfläche
Zufriedener als Lost Legacy hat mich ein Spiel selten zurück gelassen. Ich wurde nicht aufgerüttelt, ich habe nichts gelernt, aber ich wurde grandios unterhalten.
Die Lektüre des Abspanns ist allerdings ein Dämpfer. Das Bewusstsein für Repräsentation und Vielfalt endete bei Naughty Dog 2017 kurz hinter dem Bildschirm. Die weiße US-Amerikanerin Laura Bailey spielt die südafrikanische Nadine Ross für meine Begriffe überzeugend, aber wie war das nochmal mit dem gedankenlos fortgesetzten Kolonialismus? Und kaum eine Entwicklerin taucht in dem ziemlich männlichen Lead Team auf.
Die Lösung des Problems liegt auf der Hand: Lost Legacy 2 mit einem besser gemischten Team entwickeln. Dann können wir auch endlich aufhören, über die verkrampfte Bedeutungsschwere von The Last of Us zu reden. Wer will denn sowas spielen.
Als piefiger Doppelhaushälftenbewohner, der im Kindergartenalter seine Puppe nach Annika statt der cooleren Pippi bennant hat, muß ich mich auch hier bekennen: Ich kann dem pistolenholsterigen Femme Fatale-Klischee Chloe „Ist das ein tibetanischer Opferdolch in deiner Tasche, oder freust du dich einfach mich zu sehen“ Frazer" weiterhin nichts abgewinnen und empfand die spießige Girl-Next-Door-Jogginganzug-vor-der-Glotze-Idylle dagegen, mitsamt ihrer Schmutzwäscheberge, als geradezu erfrischend für ein Videospiel.
An diesem Bild konnte auch das ganz nette, aber letztendlich harmlose, Lost Legacy nicht rütteln.
muss die Folge noch hören, aber die Tatsache, dass ich bei UC einen Amokläufer und Massenmörder spiele, der in den Cutcenes immer der nette Buddy von Nebenan war, konnte ich ab einem gewissen Reifestadium nicht mehr akzeptieren.
Grafik geil, inszenierung geil…aber ich pack dieses Gameplay einfach nimmer (in verbindung zu solchen stories)
UC 1-3 habe ich mit abnehmender Freude gespielt, UC4 wartet noch aus genannten gründen drauf.
PS: gibt ja gar keine Folge, das prangere ich an, ich kann so schön ranten übers spiel.
Vorschlag „Mini LGS: Bestes UC“