Lässige Tricks und endlose Grinds, vermählt mit Jump’n’Run-inspiriertem Leveldesign und einem süchtig machenden Nur-noch-ein-Versuch-Prinzip. Die OlliOlli-Serie ist ein Indie-Juwel, das bislang viel zu wenige Spieler*innen kennen. Teil 3 strebt in Richtung Sk8er-Himmel, kann diesen aber leider nicht erreichen.
OlliOlli zischte aus dem Nichts auf die PS Vita – ein Kleinod von einem Geschicklichkeitsspiel, genial hineindesignt in die Schnittstelle zwischen Endless Runner, Hüpfspiel und RedLynx‘ Trials-Serie. OlliOlli 2: Welcome to Olliwood konnte das übertreffen: Die Perspektive war besser gewählt, die harten Prüfungen noch akribischer gestaltet und die Manuals perfekt, um eine endlos lange Überkombo auf ein komplettes Level zu legen, die sich wie eine zweite Haut anfühlte.
Lagen zwischen Teil 1 und 2 nur sportliche 14 Monate, so nahm sich Entwickler Roll7 ganze sechs Jahre Zeit für die dritte Episode. Dazwischen erschien zwar noch der Zukunfsportler Laser League, trotzdem merkt man dem Titel den enorm gestiegenen Produktionsaufwand an. Alles wirkt größer, runder, umfangreicher – und die pastellige Comic-Optik schlägt den zweckmäßigen Look der Vorgänger um Längen.
Diesmal ist auch ein umfangreicher Skater*innen-Baukasten mit dutzenden Outfits, Frisuren und Decks am Start, außerdem eine angenehm diverse Rasselbande an Skater-Girls und -Boys, die euch auf eurer spirituellen Reise ins Rollbrett-Nirwana begleiten. Leider labern die, ausnahmslos und ohne Unterlasse, nur Scheiße! Ich hab es echt versucht, mir die Sinnsprüche von Chiffon oder die Gags von Mike zu geben – aber etwa nach der Hälfte des Spiels konnte ich den in leuchtende Lettern gegossenen Unfug nur noch wegklicken. Das ist zum Glück möglich und unleidige Charaktere kann man in einem Skateboard-Spiel schon mal schlucken – trotzdem hat mich die Bande hart genervt.
Auch mit dem Soundtrack bin ich nicht warm geworden: Dessen, nun ja, mellow Vibes finde ich schrecklich langweilig – bis ich die Soundabmischung so hingedreht hatte, dass ich fast nur die Skatesounds vernahm. Schön ist, dass auf der PS5 die Roll- und Grindgeräusche aus dem Gamepad-Lautsprecher knuspern, weniger gut, dass sie von vielen anderen Streckengeräuschen akustisch an den Rand gedrängt werden. In diesem Punkt haben mir die knackigen Effekte aus den Vorgängern besser gefallen, weil sie für eine direktere Rückkopplung mit der Umgebung sorgten.
Kleines Skater-Alphabet
Aber vielleicht sollte ich einfach mal das Spiel beschreiben: Bei OlliOlli World lenke ich eine*n Skater*in von links nach rechts durch einen 2D-Parkour. Es gibt Hindernisse und Abgründe, gleichzeitig aber viele Grind-Geländer und Wände für Wallrides. Mit X wird nicht gesprungen, sondern angeschoben – das muss man erstmal verinnerlichen. Sprünge und damit verbunden Tricks sowie Grinds (also das rollenlose Rutschen mit dem Skateboard auf Metallstangen) zaubert man per Analogstick ins Level – nach einer gewissen Aufwärmphase funktioniert das wunderbar. Diverse Grabs, das Greifen mit der Hand ans Brett während man in der Luft ist, Drehungen und anderer Hokuspokus runden das Trickportfolio ab. Auf den ersten Blick scheint ein OlliOlli World weniger tricklastig als ein Tony Hawk, doch solche Kunststücke in Sekundenbruchteilen während einer rasanten Talfahrt durch einen verzweigten 2D-Parcour aus dem Hut zu zaubern, das erfordert Reflexe und Übung!
OlliOlli World baut direkt auf den Systemen der Vorgänger auf, fügt aber neue Elemente, wie z.B. die erwähnten Wallrides oder das Wechseln von Streckenebenen hinzu. Trotzdem ist das Spiel unterm Strich leichter und zugänglicher geworden – weil es mehr einfache Kurse gibt und die Entwickler*innen das Einführen neuer Elemente über die komplette Kampagne verteilt haben. Das hört sich auf dem Papier logisch und durchdacht an, ich fühlte mich dabei aber seltsam unwohl – weil ich bis zum Abspann nie das Gefühl hatte, jetzt vollständig ausgebildet zu sein und mit einem fixen Skillset alles aus den Stages herausholen zu können. Dabei gibt es zig Trick-Vorgaben pro Level, versteckte Challenges, kleine Nebenaufgaben und eine Zusatzprüfung pro Areal nach dem Durchspielen – angesichts des großen Streckumfangs umnebelte mich jedoch bald eine Art Beliebigkeit. Ich hätte viele frühe Stages mit besseren Moves nochmal angehen können, hätte die Punktzahlen der virtuellen Rivalen schlagen können oder alle Geheim-Prüfungen suchen können. Hätte, hätte, Fahrradkette. Ich hab’s irgendwann nicht mehr gemacht, weil ich keine Lust darauf hatte. Vielleicht bin ich einer der wenigen, die das bei OlliOlli World so empfinden (der saustarke Metacritic-Schritt spricht dafür), doch ich fühlte mich bei Teil 1 und 2 einfach viel mehr angespornt.
Die längste Kombo der Welt
Quantitätsmatrix
OlliOlli World ist das Killer Instinct unter den Geschicklichkeitsspielen: Durch Zwischenschalten von Manuals – das ist eine Art Wheelie im Skate-Universum – kann man Trick an Trick an Grind an Sprung an Wallrun an Grind an Trick (ihr erkennt, wohin die Reise geht) zu einer gefühlt unendlichen Kombo aneinanderreihen und so zu schwindelerregend hohen Punktzahlen skaten. Das sorgt für eine gute Position im Online-Ranking, fühlt sich sehr befriedigend an und zeigt, wie durchdacht das Leveldesign des Spiels ist. Hier trennt sich schließlich auch die Spreu vom Weizen: Nur wer das Timing beim Landen und Grinden richtig drauf hat, hält bei so einer Kombo die Geschwindigkeit und plumpst nicht in den nächsten Wackelpuddingsee. Warum mich die Jagd nach ebendiesen wunderschönen Kombos bei OlliOlli World viel weniger angefixt hat als ich es erwartet hatte, lässt sich schwer in Worte fassen. Aber irgendwie hat die Chemie zwischen uns wohl nicht gepasst.
Fazit
Ich bin traurig: OlliOlli World ist eine der besten Enttäuschungen, die ich je gespielt habe. Vordergründig macht das Spiel vieles besser als die bereits fantastischen Vorgänger: Es ist umfangreicher und hübscher, hat diesmal eine Geschichte und mehr Online-Features am Start, erweitert das Tricksystem und liefert einen ansehnlichen Charakter-Editor mit. Zudem hält man am süchtig machenden Nur-noch-ein-Versuch-Prinzip fest und die Steuerung ist erneut auf den Punkt perfekt. Ich hatte mich so drauf gefreut und es wirklich versucht (und das Game auch durchgespielt) – aber zu keiner Sekunde war ich so schockverliebt wie bei Teil 1 und 2. Woran das liegt? Ich mag die Nonsens-Figuren nicht, finde das Streckendesign beliebiger und störe mich daran, dass sich die Tutorials bis in die letzte Welt hinziehen. Wer die Serie bisher nicht kennt, sollte trotzdem zugreifen oder zumindest die preiswerten Vorgänger austesten – bessere moderne Geschicklichkeitsspiele werdet ihr kaum finden.
Vielen Dank für den Bericht!
Ich habe ja den ersten Teil unzählige Stunden gesuchtet. Es war einfach das perfekte Spiel auf der PS Vita. Schnell Mal ein paar Runden reinschieben, macht sich auf einem Handheld eben echt gut. Habe es dann aber leider nie bis zum Ende geschafft.
Den zweiten Teil hab ich dann nicht mehr so gesuchtet, da er mir warum auch immer nicht mehr so zugesagt hatte. War mir von den Möglichkeiten irgendwie zu überladen.
Wenn der neue Teil Mal im Angebot ist, greife ich vielleicht noch Mal zu, aber ich glaube nicht, das es mir vor den TV fesseln kann. Es ist und bleibt für mich ein Handheld Spiel.
Ich seh’s sehr ähnlich. Anfangs fand ich das Drumherum mit den Buddies ganz charmant, aber nach fünf Bildschirmen reicht es dann auch und ab dann trainiert man sich an, den ganzen (schicken) Krempel möglichst schnell zu überspringen.
Mit dem Soundtrack geben ich Dir recht, die fand ich in Teil 1 und 2 auch besser. Und ja, das gelaber ist echt unnötig und irgendwie belanglos.
Das spielerische finde ich aber sehr sehr stark! Wobei ich teilweise das Gefühl habe, dass ich es nicht ganz so 100%ig präzise spielen kann wie Teil 1 und 2. Die Abzweigungen in den Leveln bringen zwar Abwechslung, finde ich aber bei so einer Art von Spiel ein bisschen störend, weil ich dann erst ausprobieren muss auf welcher Route ich die beste Combo hinbekomme.
Klingt jetzt etwas zu negativ, denn das Spiel macht trotzdem wirklich großen Spaß, zumindest mir !
Hachschön, eine Review, die irrationales Gefühl („Chemie“) als Kriterium nimmt und nicht zu objektivieren versucht. Vielen Dank!
habe nur bis Redlynx Trials lesen müssen um Lust auf dieses Game zu bekommen.
Prinzipielle Zustimmung zum Punkt der oftmals müßigen Versuche einer Objektivierung, aber wenn es nicht möglich ist, die eigenen Empfindungen zu einem Spiel in aussagekräftige Worte zu kleiden, fühle ich mich als Leser genauso wenig abgeholt.
Aussagen, wie „Dialoge sind scheiße“ oder „da hatte ich keine Lust drauf“, fehlt es für meine Begriffe an Kontext, um sie richtig einordnen zu können. Vom Lesen des Textes blieb bei mir nun neben der sehr deskriptiv gehaltenen Inhaltsbeschreibung des Titels lediglich der Eindruck zurück, dass der Autor nicht wirklich warm damit geworden ist. Ob das am Spiel selbst liegt, ob es äußere Faktoren waren, weswegen er sich gerade nicht richtig drauf einlassen konnte oder was konkret die vorherigen Teile vom Spieldesign für ihn reizvoller erscheinen ließen, kann ich nur vermuten.
Will aber auch nicht ausschließen, dass ich vielleicht der Textform Review als solches nicht mehr viel abgewinnen kann. Der Text von Matthias ist handwerklich sicher komplett in Ordnung, aber er erzählt mir halt weder etwas über das Spiel, was ich nicht auch auf der Produktpage bei Steam erfahre, noch über sich als Person, die es spielt. Und das ist für mich am Ende nicht mehr als ein in Artikelform gegossenes Schulterzucken.