Was spiegelt, röhrt und trödelt durch die Welt? Bestimmt ist es Jan mit beschlagener Brille und einem hartnäckigen Husten. Ach so, nein! Es ist das Steam Deck.
So zynisch bin ich gar nicht. Auf das Steam Deck habe ich mich gefreut. Ich mag ja auch die Switch, also habe ich aus freien Stücken die Version mit 256 GB Speicher bestellt, Warnungen über spiegelnde Displays abgetan und mir ausgemalt, welchen Platz das Gerät in meinem Leben einnehmen würde: wie ich endlich wieder den Raum finde, ein Lesespiel wie Disco Elysium zu spielen. Oder wie ich in Zukunft wieder öfter Trails in Lonely Mountains: Downhill erkunde. Und dass ich mir eine Lösung basteln würde, den Microsoft Flight Sim in der Cloudversion zu spielen, war eh klar.
Der Spiegel
Das Nutzungsszenario liegt auf der Hand: Menschen wie ich sacken tagsüber vor ihren PCs in sich zusammen. Mit dem Steam Deck kann ich abends ausgestreckt auf dem Sofa liegen und trotzdem noch PC spielen. Ohne den Kopf vom Polster zu heben.
Doch beim Auspacken im Kreis der Familie wird klar: Das Gerät ist viel mehr. Anfangs sieht der Karton unscheinbar aus, bis auf den obligatorischen Portal-Referenz-Pflichtgag. Das Aufklappen aber ist bereits Teil der designten Produkterfahrung.
Valve betonen auf der Paketinnenseite, wo ich das Gerät überall spielen können werde: „en la cocina – dans le train – im Auto“. Das ist alles nachvollziehbar, aber dann steht da auch „auf dem Riesenrad“ und „in der Warteschlange“. Machen die sich über ihr eigenes Gerät lustig, oder bin ich die Pointe des Witzes, wenn ich das wirklich versuche?
Das Deck versteckt sich in einer robusten, schwarzen Herrenhandtasche. Zu diesem Zeitpunkt sind meine Kinder bereits voller Ehrfurcht. Ich öffne den Reißverschluss und sehe mich selbst; ich sehe meine gerunzelte Stirn im Bildschirm. Der Bildschirm ist groß und glänzend und schwarz, er spiegelt brillant.
„So ungefähr würde es aussehen, wenn ein PC-Hersteller eine Profi-Switch für Erwachsene gestaltet“, denke ich und fühle mich ertappt. Meine jüngere Tochter verliert beim ersten Anblick das Interesse und rollt auf dem Sofa davon. Meine ältere Tochter ist elektrisiert. Sie nimmt das Deck sofort in beide Hände. Muss sie auch, das Ding sieht doppelt so groß aus wie die Switch. Dann verrate ich ihr, dass wir auf diesem Gerät Planet Zoo spielen können. Die Augen leuchten.
Nach dem Einschalten des Decks folgt die erste Ernüchterung. Das Bild ist mir deutlich zu dunkel und verspiegelt, um damit tagsüber in meinem Wohnzimmer zu spielen. Die Rollos müssten runter. Das mache ich aber nicht, sonst könnte ich ja gleich den Vergnügungspark im TV-Schrank einschalten. Auch bei maximaler Bildschirm-Leuchtstärke sind die Spiegelungen ein Problem. Bei der Switch natürlich auch. Aber auf der Switch spiele ich gerade Kirby, und da leuchtet alles in allen Regenbogenfarben. Auf dem Deck sind dagegen schon die Menüs düster, und meine Spielebibliothek auch.
Disco Elysium soll toll auf dem Deck laufen. Aber als ich es starte, stutze ich. Die Schrift ist winzig. Bestimmt kann ich das irgendwo einstellen. Meine Tochter kann das noch lesen, aber ich muss die Augen zusammenkneifen. Und dann verschwindet die Fliegenbeinschrift auf dem schwarzen Grund zwischen meinen gespiegelten Stirnfalten. Ich bekomme Kopfschmerzen und widme mich Dingen, die ich besser erkennen kann.
Das Röhren
Mein Schulfranzösisch reicht aus, um es dans le train mal zu versuchen. Wie ein Pendler steige ich Tage später in die S-Bahn, setze mich in das halbvolle Obergeschoss und warte kurz, bis sich der Nebel auf den Brillengläsern lichtet.
Der Mann auf dem Sitz vor mir zuckt spürbar zusammen, als die Lüftung ertönt.
Der erste Eindruck ist gut: Das Deck passt samt Hartschalenköfferchen in meinen Rucksack, ich kann es bequem in meinen riesigen Händen halten und trotz der aggressiven Spiegelung im Display finde ich Lonely Mountains Downhill. Ich starte das Spiel. Wie auf Kommando ertönt lautes Röhren. Ich brauche eine Sekunde, um das Geräusch dem Deck zuzuordnen. Oben entweicht die Luft aus dicken Schlitzen, die wie bei einem Gaming-Laptop aussehen – und sich auch so anhören. Der Mann auf dem Sitz vor mir zuckt spürbar zusammen, als die Lüftung ertönt. Immerhin dreht er sich nicht nach mir um.
Verstohlen fahre ich den Trail herab, an meiner FFP2-Maske entlang zum Ziel. Niemand sagt etwas, aber das Geräusch ist um mich herum hörbar, auch während der Zug fährt. Kurz denke ich darüber nach, bei der nächsten Fahrt ein anderes Spiel auszuprobieren, das weniger Leistung verlangt. Dann fällt mir ein, dass ich schon eine Switch besitze. Nach zwei S-Bahn-Haltestellen ist das Experiment beendet.
Das Warten
Kindern etwas zu versprechen, ist immer ein Risiko. Nach zwei Tagen, nach diversen Updates, fruchtlos durchforsteten Foren und einer ganzen Reihe nutzlos ein- und umgestellter Startparameter läuft Planet Zoo einfach nicht. Ich sehe es in den Augen meiner Tochter: Die Enttäuschung gilt nicht dem Deck, sondern dem Vater.
Planet Zoo ist auf dem Deck „Spielbar“, die zweite von drei Kompatibilitätsstufen. Gewarnt wird in diesem konkreten Fall etwa vor „Steam-Deck-fremden Controllerglyphen“. Als meine Tochter fragt, was das heißen soll, winke ich verlegen ab. Das heißt wahrscheinlich, dass Valve die Kommunikation mit Kund*innen nicht so ernst nimmt. Wenn ich auf „Starten“ tippe, röhrt das Deck kurz auf, dann beruhigt es sich wieder. Gestartet wird nichts. Keine Fehlermeldung wird angezeigt.
Woran es lag? Immer noch keine Ahnung. Nach zwei Tagen habe ich das Gerät in einem Akt der Verzweiflung auf den Werkszustand zurückgesetzt. Außerdem habe ich in den Entwickleroptionen Wifi-Power-Saving deaktiviert. Damit hat schlagartig eine ganze Reihe brutaler Fehler nachgelassen: Der Steam-Knopf hat bis dahin nur gelegentlich funktioniert, die Internetverbindung kam und ging, der Desktop-Modus lud überhaupt nicht. Jetzt lädt das meiste, auch Planet Zoo.
Natürlich rächen sich die deckfremden Glyphen. Meine Tochter hat noch nicht herausgefunden, wie sie die Kamera drehen kann. Ich müsste mit ihr noch einmal die Controllerfeineinstellungen durchgehen. Und die Schrift im Spiel ist brutal klein. Wenn ich meine Tochter frage, wann wir das gemeinsam einrichten, dann zuckt sie mit den Achseln und starrt ins Leere.
Die Grenzen
An das Deckgewicht habe ich mich gewöhnt, ich treibe auch regelmäßig Sport, aber dann ist es mir kürzlich bei Kirby aufgefallen: wie irre leicht die Switch ist. Ich stehe auf, hole neuen Kaffee und bemerke erst in der Küche, dass ich die Switch noch in der Hand halte. Das Steam Deck dagegen rutscht mir aus der Hand, wenn ich nicht ganz fest zupacke. In den ersten Tagen ist es mir zweimal in völlig unsinnigen Situationen heruntergefallen. Im Badezimmer habe ich keinen Platz gefunden, das große Gerät sicher abzulegen – damit scheitert auch das explizit versprochene Gaming „sur le trône“.
So wohnt das Deck nun am Sofa, in Wurfweite des Steam Links. Immerhin ist das Wetter schlechter geworden, sodass ich tagsüber spielen kann, ohne den Raum abzudunkeln. Metro Exodus ist Steam-Deck-verifiziert und läuft tatsächlich flüssig.
Dass der Lüfter verbrauchten Kabelduft in den Raum pustet, passt hier zur Atmosphäre. Ich laufe durch das Tutorial, als mir das Touchpad unter dem rechten Joystick auffällt. Ist das vielleicht die bessere Methode, einen Shooter zu steuern? Ich habe das Ballern schließlich noch an der Maus gelernt. Aber die Fläche ist ziemlich klein, und in der Voreinstellung nur für präzises Zielen gedacht. Ich will nicht mit dem Daumen zwischen Buttons, Joystick und Touchpad wechseln. Ich spiele erfolglos an den Sensibilitätseinstellungen herum. Aber letztendlich ist dieses Touchpad zu nah an dem knarzenden, trägen und irgendwie immer zu kleinen Touchpad des Steam Controllers gebaut. Bevor ich mit dem Daumen umgezogen bin, habe ich die Monster schon mit dem Joystick erfasst und erschossen.
Die Gegenwart
Nebenbei entwickle ich immer noch Pläne, wie ich das Deck pädagogisch wertvoll einsetzen könnte. Sonic ist wieder in, das sehen meine Kinder genauso wie Idris Elba. Also beschließe ich, für die Fans in meiner Familie Sonic Mania auf dem Deck zu installieren. Weil ich ein unverbesserlicher Technik-Journalist bin, versuche ich es mit der Version aus dem Epic Games Store.
Der Akku hält bei aufwändigen Spielen keine zwei Stunden, aber nach der Zeit täten mir auch die Augen weh.
Und das klappt! Es klappt schlecht, so wie gefühlt 90 Prozent aller Anwendungsszenarien abseits der Hauptstraße. Ich krieche durch die detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Installation des Epic Stores, ich installiere erfolgreich Sonic Mania, ich kann es sogar starten. Es läuft leider nur briefmarkengroß, in der Originalauflösung. Wenn ich auch nur eine Grafikeinstellung ändere, dann verschwindet das Bild und kommt nicht wieder.
Solchen Beinahelösungen begegne ich häufig. Ein paar andere Spiele aus dem Epic Store laufen super, mit voller Controllersteuerung. Dafür flackert der Store gelegentlich und lässt sich dann nicht bedienen. Cloud Gaming funktioniert auch, aber die realistischen Panoramen des MS Flight Sims knallen auf meinem Fernseher deutlich schöner.
So ist das Steam Deck. Es will aufwändige PC-Spiele mit komplexen Eingabeaufforderungen im Dunkeln auf einem etwas zu kleinen Screen spielen. Der Akku hält bei aufwändigen Spielen keine zwei Stunden, aber nach der Zeit täten mir auch die Augen weh. Meine Tochter bekräftigt auf Nachfrage immer noch, dass sie Planet Zoo auf dem Deck spielen wird. Und ich spiele seit Tagen endlich wieder öfter Lonely Mountains: Downhill, eine Viertelstunde, vor dem Bett. Der längere Joystick und der analoge Trigger machen das Spiel auf dem Deck um Längen besser, als auf der Switch.
Die Zukunft
Das Deck funktioniert also, nur die Geschichten von seiner Vielseitigkeit sind heiße Luft. Es funktioniert im Dunkeln, daheim. Ich habe eine oberflächliche, aber starke Abneigung gegen dieses Gerät entwickelt. Wie kann Valve diese Betaware verkaufen? Wie können sie auch nur suggerieren, das Ding eigne sich für eine breitere Käuferschicht? Nicht einmal der goldene Mittelweg entlang der grün abgehakten Spiele funktioniert zuverlässig. Die aktuelle Beta des Betriebssystems läuft bei mir stabiler als die „stabile“ Version.
Offenbar bin ich nicht Zielgruppe genug. Nerds und Bastler sollen das Steam Deck kaufen, die noch nerdiger und bastelfreudiger sind als ich. Und die sollen mit ihrer Begeisterung in ihrer Freizeit alle Spiele und Nebennutzungen einrichten, eine Öffentlichkeit oder einen Markt erzeugen, und dann erscheint vielleicht irgendwann ein Gerät, das alle haben wollen.
So fühlt sich das Steam Deck in meinen Händen an – wie ein Prototyp. Irgendwie werden Software-Updates das Ding vielleicht retten, bevor es mehr Menschen in den Händen halten. Aber bei mir angekommen ist statt der Rettung ein Lego-Set, aus dem ich mir die Rettung selbst bauen kann. Die Anleitung liegt in Fragmenten auf Reddit und sonstwo.
Fazit
Ganz bestimmt können Menschen Spaß mit diesem Ding haben. Ich gönne es ihnen! Aber ich bin für die nächsten Monate und Vulkan-Updates erst einmal raus. In der jetzigen Form ist das Steam Deck ein schlechter Witz mit wenigen Lichtblicken.
Oh oh… Mein persönlicher Steam Deck Hype Train hat gerade einen Großteil seiner Geschwindigkeit eingebüßt.
Mir bleibt nur zu hoffen, dass Steam die Software bis „im dritten Quartal“ noch deutlich verbessert und das entspiegelte Display der Edelversion was bringt.
Naja, paar Beschwerden.sind aber auch fehl am Platz. Wie läuft denn der Epic Games store auf der switch? Genau.
Am Ende der Kritik bleiben irgendwie nur folgende Punkte übrig:
Sich über Dinge zu beschweren die möglich, aber nicht unterstützt sind ist ja Mal Kindergarten.
Ja, stimmt schon,- Epic sollte jetzt nicht ausschlaggebend für eine Bewertung sein, aber für ein Gesamtbild finde ich die Erfahrungen durchaus interessant.
Da musste ich tatsächlich kurz lachen. Eine so treffende Beschreibung, dass ich mich frage, warum ich nicht ob der Offensichtlichkeit selbst drauf gekommen bin.
Bleibt nur noch offen ob man Herrenhandtasche mit Genderstern versehen muss .
Ansonsten finde ich die Kritik auch eher zu heftig. Groß, laut, schwer und Spiegeldisplay sind valide Argumente. Konnte im Text jetzt nicht mehr sehen welche Version bestellt wurde. Gibt es das Gerät nicht auch mit nicht spiegelnden Display?
Die restlichen Argumente finde ich nicht soooo treffend, eher eine persönliche Nutzergewichtung. Da der Text mehr ein Kommentar, als eine objektive Bewertung ist, ist das völlig in Ordnung. Für mich treffen jedoch die meisten Kritik Punkte nicht den Kern des Gerätes
Es ist sicher die Einstiegsvariante, weil alle anderen noch nicht mal bestellt werden konnten. Gegen ein Spiegeldisplay, kann man eine Folie aufkleben und das ist ja auch ein Grund wieso fast alle Switch-Spiele eher hell sind
Aber es gibt ein generelles Problem mit Display in der Hinsicht (bei gleichbleibender Helligkeit): Spiegelnd, dafür aber gute schärfe und farbe, oder nicht-spiegelnd, dafür wirkt es matt.
Der andere Ausweg ist nur, die Helligkeit aufzudrehen, das kostet aber viel Energie und bedeutet mehr Abwärme
Es ist halt mehr ein Rant, denn ein Kommentar
Klingt für mich nach einer ähnlichen Erfolgsgeschichte, wie das Sega Game Gear seiner Zeit - nur mit kürzer Akkulaufzeit und mehr Spielen
Schöne Review - hat Spaß gemacht zu lesen
Genau das ist wohl der Punkt. Wer eine Aufschlüsselung aller technischen Aspekte für eine Kaufentscheidung benötigt, wird hier natürlich nicht fündig. Aber ich denke, das können andere eh besser. Wir entschieden uns bewusst für eine sehr subjektive Herangehensweise, so wie es bei Spielen auch stattfindet.
Und ich finde subjektive Erfahrungswerte oft auch wichtiger für meine Kaufentscheidung.