WASTED Magazin

Pferdespiele überall. Edutainment-Software für den PC, gemacht für junge weibliche Spielerinnen. Wer etwa 2003 ein milde pferdebegeistertes Kind oder ein entsprechender Teenie war, wird sich früher oder später mit Pferd und Pony: Mein Pferdehof, Abenteuer auf dem Reiterhof, Riding Star oder ihren zahlreichen Nachfolgern und Abklatschen vergnügt haben.

In diesen Spielen ging es oft ähnlich zu: Du erbst einen heruntergekommenen Reitstall und baust ihn langsam wieder auf, trainierst und züchtest bessere Pferde um mit ihnen Turniere zu reiten, und vielleicht löst du noch irgendein Geheimnis im Stall! Hufauskratz-Minispiele, schlecht gealterte Fototexturen und fragwürdige Steuerung gehörten fast überall dazu. 

Leider ist nach dieser Blütezeit lange nicht allzu viel passiert im Genre der Pferdespiele: Billigst produzierte Shovelware verkaufte sich nach ein paar Jahren nicht mehr so gut wie vorher, und es herrschte fast ein Jahrzehnt lang Funkstille in der Nische – zur allgemeinen Enttäuschung aller, die eigentlich gerne mal wieder ein gutes Ponygame gespielt hätten. Erst langsam aber sicher erscheinen neue Titel – manche mit denselben altbackenen Problemen wie früher, andere mit erfrischend neuen Ideen und Grafikstilen. Was sich zu spielen lohnt und warum viele Pferdespiele eigentlich so schlecht sind, erforsche ich normalerweise im Detail auf meiner Pferdespielwebseite The Mane Quest. In diesem Beitrag gibt es eine exklusive Zusammenfassung, wo ihr heutzutage die größte Portion Reitspass herbekommt.

Mit monatlich einer halben Million aktiven Spieler:innen spielt das MMORPG Star Stable Online (SSO) in derselben Liga wie Guild Wars 2, Black Desert Online und Final Fantasy XIV – wobei genaue Information über Spieler:innenzahlen der Genre-Riesen immer nur schwer zu finden ist. 

SSO bietet eine große offene Welt, Pferderenn-Meisterschaften gegen die Uhr oder gegen andere Spieler:innen, und soviele Fetch-Quests wie das Herz begehrt. Steuerung und UI sind mäßig gut gealtert, aber immerhin sehen die meisten Pferde so richtig liebenswürdig aus.   

Obwohl man eine monatliche Mitgliedschaft kaufen kann, ist SSO unterm Strich ein Vollpreis-Titel mit kostenloser Demo und wöchentlichen Updates. Wer neue, hübschere Pferde will, erwirbt diese für die Premium Star Coins, die man wöchentlich anspart oder dazu kauft. SSO ist einzigartig und faszinierend in seinem Werdegang: ein PC-MMORPG mit der Zielgruppe „8-bis-18-jährige Mädchen“, das seit 2011 floriert und wächst. Langjährige Spieler:innen hätten lieber neue Story-Inhalte statt mehr Pferde und ein paar lang erwartete Updates brauchen auf der 11 Jahre alten Engine länger als erhofft. Aber wer heute mit Star Stable Online beginnt, wird monatelang gut unterhalten davon sein, die abertausenden von Quests durchzuspielen, die sich im Verlauf des Jahrzehnts angesammelt haben. 

Wer zwar eine offene Spielwelt und Story mag, aber das Ganze nicht mit anderen teilen möchte, der ist besser aufgehoben bei Ostwind: Ein Unerwartetes Abenteuer oder Horse Club Adventures. Singleplayer-Pferdespiel-Spaß, einmal im realistischen Look mit Bogenschiess-Mechaniken und einmal stilisiert mit Feelgood-Ferienstimmung. Beide Spiele sind längst nicht perfekt – sie sind mehrmals vertreten auf meiner Liste von häufigen Pferde-Fehlern, die diverse Spiele im Genre immer wieder machen, wie zum Beispiel die nervigen Einschränkungen bei der Kameraführung und Wahl der Pferdegangart, sowie den Einsatz eines fragwürdigen Animationspakets im Falle von Horse Club Adventures. Grundsätzlich bieten aber beide Games auf ihre Weise gute Unterhaltung beim friedlichen Herumreiten und NPCs bei mit irgendwelchen Aufgaben helfen. Für Horse Club Adventures wurde sogar gerade eine Fortsetzung angekündigt, die es ab Oktober 2022 zu kaufen gibt. 

Hinweis: Seit Ende 2021 arbeite ich für Ostwind-Entwickler Aesir Interactive. Meine Reviews der Ostwind-Games stammen aber von vorher und wurden nicht editiert.

Rival Stars Horse Racing ist ein Spiel, das den Pferderennsport ernstnimmt und sich erfrischenderweise eher an eine erwachsene Zielgruppe richtet: Als Spieler:in baut man zwar wie üblich den verwahrlosten Familienhof wieder auf, aber Hufkratz- und Streichelminigames gibt es hier nicht. Stattdessen kann man auf den eigenen Gewinn wetten, Rennpferde per Mausklick trainieren, und niedliche Fohlen züchten, die hoffentlich schneller rennen als ihre Eltern. Eine wirkliche Bindung zu den digitalen Tierchen kann man durch diese eher eingeschränkten Interaktionsmöglichkeiten nur bedingt aufbauen, aber der Fotomodus hilft immerhin dabei, mit ihnen anzugeben. 

Mit einem kürzlichen Spring- und Geländereit-Update macht Rival Stars klar, dass es regelmäßig Neues zu bieten hat. Die Free-to-Play Version auf mobilen Geräten erhält zwar oft die Updates zuerst, enthält dafür aber Mikrotransaktionen und limitierende Energie-Werte. Ich empfehle die Premium-Version am PC für ein entspannteres und hochauflösendes Spielerlebnis. 

“Aber Red Dead ist doch kein Spiel für -” Shut it! Es hat verschiedene Pferderassen, komplexe Pferde-KI, Customization für Sattel, Mähne und Schweif, mehr sorgfältig motion captured Pferde-Animationen als irgendein anderes Spiel auf dieser Liste – und sogar eine Handvoll Dressur-Übungen. 

Und dann ist da noch das berüchtigte Detail, dass die Hoden der Pferde in der Kälte schrumpfen. Hier ein kurzer Exkurs zu Pferde-Eiern in Red Dead, denn ja, ich werde oft danach gefragt: Die Nüsse sind viel zu sichtbar und offensichtlich viel zu statisch für ihre Größe. Würden echte Pferdehoden so weit runterhängen, würden sie auch ordentlich schwingen, wenn das Pferd sich bewegt. Das soll aber kein Aufruf nach realistischer Pferdehodenphysik sein! Ich finde, es ist einfach ein unglaublich seltsamer Kompromiss. Sowieso gibt es viel zu viele Hengste in Red Dead Redemption 2. Im echten Leben würde es auch als Cowboy im frühen 20. Jahrhundert wesentlich mehr Sinn machen, Stuten und Wallache zu reiten, weil Hengste mühsamer zu handhaben sind.

Ich glaube ja, Rockstar hat sich mit den schrumpfenden Hoden einen dummen Marketing-Gag erlaubt, und dann sind so viele Leute darauf angesprungen, dass sie sich nicht mehr getraut haben die Hoden weniger aufdringlich zu machen.

Trotz (oder auch wegen?) der penetrant ins Bild baumelnden Pferdehoden lässt es sich nicht bestreiten, dass die Vierbeiner in Red Dead Redemption unglaublich viel zu bieten haben, sowohl in ihren unterschiedlichen Verhaltensmustern als auch in ihrer Bewegungsfreiheit.

Mich persönlich langweilt leider die ganze Schießerei ziemlich, aber das soll ja sonst niemanden abhalten: Tatsächlich gibt es mehrere große Communities von Pferdefans, die sich explizit in Red Dead Online treffen, um zusammen ausreiten zu gehen. Wir Pferdegamer sind es schließlich gewohnt, andere Spiele als Pferdespiele zweckzuentfremden.

Wer das digitale Reitvergnügen lieber am Smartphone genießt, hat seit kurzem auch mehrere gute Optionen: Bei Wildshade geht es darum, in Mario-Kart-Manier schnelle Rennen mit magischen Power-Ups zu reiten und mit den verdienten Münzen wieder bessere und coolere Pferde zu züchten. Den eigenen Punkte-Highscore optimiert man, um in der Liga aufzusteigen – das Fantasy-Racing-Game hat zwar keinen Live-Multiplayer, dafür nutzt es eine clevere Mischung aus KI-Verhalten mit den Pferden und Scores von echten anderen Spieler:innen. 

Die Rennen sind der absolute Kern des Spiels – um sie herum gibt es mit den Pferden noch nicht sehr viel zu tun, aber die Entwicklung ist auch längst noch nicht abgeschlossen. 

Wem es dort zu bunt und cartoon-y zu und hergeht, schaut sich fürs mobile Pferdegaming stattdessen das gerade erst weltweit erschienene Equestrian The Game an: Entwicklerstudio Kavalri Games hat sich mit seinem Debüt-Projekt vorgenommen ein erwachsenes, realistisches Pferdespiel zu kreieren, das seine Zielgruppe ernst nimmt und sich trotz der mobilen Plattform nicht vor Komplexität scheut. Die Steuerung orientiert sich – meiner Meinung nach mit mäßigem Erfolg – an den echten Zügel- und Schenkelhilfen, die beim realen Reiten angewendet werden.

Hinweis: Ich arbeite teilzeit als Community-Managerin bei Tivola für Wildshade, bin also auch hier nicht komplett unabhängig.

Wem tiefgehende Simulation wichtiger ist als offene Welten und animierte Pferde, der kann sich im Bereich der Browsergames austoben: Auch in dieser Ecke passiert inzwischen viel Neues, obwohl das Medium manchen altbacken erscheinen mag. Morning Dust Ranch, Wild Horses Valley und Horse Fable (früher Eqcetera) sind nur eine Handvoll der kürzlich neu erschienenen und aktiv weiterentwickelten Pferde-Browserspiele. Davon gibt es Dutzende, und mehrere davon sogar made in germany. 

Welche davon euch am besten gefallen, mpüsst ihr allerdings selbst ausprobieren – oder mit den Leuten in der Horses & Video Games Community diskutieren (zu Reviews in dieser Nische bin ich selbst nämlich noch nicht gekommen).

Die aufregendste Neuerscheinung habe ich mir zum Schluss gespart: Mit Horse Tales: Emerald Valley Ranch erscheint dieses Jahr das neueste Projekt der Ostwind-Entwickler Aesir Interactive. Wichtiger Unterschied: Horse Tales wurde von mir persönlich als Creative Producer mitentwickelt und konnte Spieletester aus der Community von Pferdespiel-Fans hinzuziehen und deren Wünsche einbeziehen. 

Ob sich unser Projekt längerfristig ins Best of der Pferdespiele einfindet, könnt ihr mir ab November sagen. Aber mit einer grossen, offenen Spielwelt in schicker Breath of the Wild Optik, Pferdezucht die auf echter Pferdegenetik basiert und individuellen Persönlichkeitsmerkmalen für einzelne Pferde tut Horse Tales bereits einiges, um nicht nur der jungen Zielgruppe gerecht zu werden

Das Spiel erscheint diesen Herbst für PC und Konsolen. Den Teaser Trailer gibt’s schon mal hier.