Mario Strikers: Battle League Football ist die erste Fußballsimulation, die nicht stinklangweilig ist, denn: Auf dem Platz gibt’s keine Regeln. Trotzdem schafft es das Spiel nicht, zu brillieren – aus ganz anderen Gründen.
Es gibt im Videospielkosmos eine Legende, die besagt, dass man Dinge, die man im echten Leben gut findet, auch als Videospiel mag. Ich halte das für eine der dümmsten Annahmen überhaupt.
Es ist nämlich so: Ich finde Fußball gut, und ich finde Videospiele gut. Aber: Ich hasse Fußballvideospiele. Nicht etwa aus Prinzip: Ich habe es einmal wirklich versucht, saß wirklich mit dem Controller da und habe mich wirklich angestrengt. Aber FIFA war für mich so langweilig, so unfassbar öde und stumpfsinnig, dass ich den Ingame-Schiri am liebsten um spontane Spielabsage gebeten hätte.
Die Gründe dafür sind simpel: Was gibt mir FIFA, was ich nicht auch im echten Leben haben kann? Nichts. Zumindest aus meiner Sicht. Bevor ich eine Konsole anschmeiße und Fußball auf einem Bildschirm spiele, stehe ich lieber selbst mit Kickschuhen und Siegeshunger auf dem vereinseigenen Kunstrasen. Dachte ich zumindest. Bis Mario Strikers: Battle League Football für die Nintendo Switch veröffentlicht wurde.
Dieses Spiel ist anders. Es ist nicht die x-te Version einer Profifußballsimulation, im Gegenteil, es ist etwas sehr viel Besseres: eine Kreisligafußballsimulation im Mario-Universum und damit genau das, was ich als Fußballvideospielhasserin (und Kreisligakickerin) gesucht und gebraucht habe.
Mit Rugby-Helm zum Spielanpfiff
Nintendo bewirbt das Spiel mit dem Slogan: „Auf diesem Platz ist alles erlaubt.“ Beim Lesen hatte ich direkt Bratwurstgeruch mit Zigarettennote in der Nase und schallendes Seitenliniengebrüll in meinem Ohr. Unfassbar gutes Marketing.
Und es ging noch weiter: Rosalina mit Rugby-Helm und Schutzkleidung wie im Bergbau, Bowser in Stahlkappenschuhen und mit Schlagringen an den Händen. Hardcore-Kreisliga also, und definitiv eine Überlegung wert für Deutschlands Amateur*innen. Ich war absolut pumped für das Spiel.
Normalerweise, und darauf bin ich nicht stolz, skippe ich die Tutorials in Games. Einerseits, weil ich einfach nur drauf los spielen will, und andererseits, weil ich denke, dass mein Grundverständnis dessen, wie ein Controller funktioniert, einfach ausreichen muss. Aber dieses Mal sollte es anders sein. Ich wollte Mario Strikers: Battle League Football nicht nur spielen, ich wollte es perfektionieren.
Quantitätsmatrix
Anstatt also einfach wahllos auf Plätze zu stürmen und den Ball wild umher zu bolzen (wie im echten Leben), lasse ich mich auf einen kleinen Roboter namens Fútbot ein. Fútbot ist eine niedliche Blechbüchse, die mir Dinge erklärt, die ich eigentlich schon kenne. Unter anderem, dass meinen Charakteren schnell die Puste ausgeht, wenn sie zu mehr als einem Sprint ansetzen.
Tja. Ich schätze, Kreisligafußball wurde noch nie so real in ein Videospiel implementiert.
Dann zeigt mir Fútbot, wie das Spiel funktioniert. Mit A schieße ich, mit B spiele ich einen normalen, flachen Pass, mit Y spiele ich hohe Bälle – und bin direkt baff. Peach catcht die Pässe in der Luft, indem sie den Ball zwischen den Beinen einklemmt, eine Rolle vorwärts macht und wie im Kunstturnen auf beiden Beinen landet. Bowser hingegen bemüht sich erst gar nicht groß und fischt das Leder mit der Hand vom Himmel. Geil.
Wenig später lande ich bei einer der wichtigsten Kreisligadisziplinen: Tackling. Wir erinnern uns an den grandiosen Slogan von Mario Strikers: Battle League Football: „Auf diesem Platz ist alles erlaubt.“ In der Kreisliga bedeutet das: Was der Schiri nicht sieht, wird nicht geahndet. Meine ehemalige Trainerin hat uns deswegen schon in der C-Jugend wichtige Techniken beigebracht, die auf dem Acker überlebensnotwendig sind: „Mädels, Ellenbogen und Arsch raus!“
Stollenschuh meets face
Wie ernst es Mario Strikers mit seinem Slogan meint, verdeutlicht Fútbot in einer kurzen Live-Demonstration. Ich soll lernen, wie das Tackling aussieht und wie es funktioniert.
Ich sehe Yoshi, mit dem Ball am Fuß an der Mittellinie stehend, ganz ruhig und gelassen. Bis Mario in einem Affenzahn auf ihn zu sprintet, mit dem Bein ausholt und Yoshi einen Uppercut verpasst. Der Ball rollt weg, Yoshi scheint mit lebensgefährlichen Kopfverletzungen am Seitenrand zu liegen, Mario hingegen pest in Richtung Sechzehner.
… Wow.
Ich habe Kreisliga erwartet und Grundschulvölkerballregeln bekommen.
Fútbot verlangt von mir, dass ich dieses Höllentackling dreimal richtig ausführe, um zur nächsten Lektion zu gelangen. Ich revidiere meine Aussage von vorhin: Die niedliche Blechbüchse ist eine herzlose Mördermaschine. Ich bin aus der Kreisliga ja wirklich vieles gewohnt, aber ich bin noch niemandem mit den Stollen voraus ins Kreuz gesprungen. (Versprochen!)
Als wäre diese Lektion nicht schon blutig genug gewesen, kündigt Fútbot strahlend an: Ich kann den Tackling-Knopf auch länger gedrückt halten, um den Angriff aufzuladen. „Charged Tackling“.
„Charged Tackling“ ist in der Ausführung genauso brutal, wie es klingt. Statt mit nur einem Fuß springt Mario jetzt mit beiden Beinen voraus in Richtung Yoshi, und als wäre die Schädelfraktur von vorhin nicht schon genug gewesen, wird Yoshi jetzt noch weiter weggeschleudert und bleibt dadurch noch länger liegen. Mario Strikers nennt es „Charged Tackling“, in der Kreisliga wäre das wohl ein „Schiri, der simuliert bloß!“.
Und sie treffen, und treffen, und treffen…
Es gibt zehn verschiedene Charaktere, die allesamt verschiedene Attribute mitbringen. Bowser beispielsweise ist der klassische Innenverteidiger: kräftig, deshalb langsam, aber durch kein Tackling zu fällen. Toad ist der Flügelflitzer: klein, wendig und schnell, aber beim nächsten Windstoß weg.
Ich kann vier Charaktere pro Match aussuchen, das Tor wird immer automatisch durch Bumm Bumm abgesichert. Es gilt also, ein Team zusammenzustellen, in dem schlagkräftige Ballbehaupter*innen dabei sind, aber auch die Technik ist für genaues Passspiel notwendig und wenn niemand schnell nach vorne rennt, bringt auch der beste Steilpass nichts.
Ich entscheide mich für Rosalina als Capitana, Bowser als Fels in der Brandung, Peach als Seitenlinienchefin und Mario weil, na ja, weil’s halt Mario ist.
Das erste Testspiel verläuft nicht wirklich, wie ich es erwartet habe. Während ich versuche, einigermaßen den Überblick über das Geschehen zu behalten, rennen die Gegner*innen an mir vorbei und treffen. Und treffen. Und treffen.
Argh. Verlieren konnte ich noch nie gut.
Das zweite Match verliere ich knapper, das dritte gewinne ich nur haarscharf. Irgendwie finde ich nicht ins Spiel. Mental ziehe ich meine Stutzen aus, schleudere die Schienbeinschoner ins Kabineneck und trotte mit den Kickschuhen in der Hand zurück zu Fútbot. Mehr Tutorial, bitte.
Ich mache die ersten Lektionen noch einmal durch und wage mich an die Sektion „Advanced“ heran. Dort wird mir die Physik des „perfekten Spielzugs“ erklärt, ein Phänomen, das es in der Kreisliga nur auf Papier gibt: Schüsse mit dem Spann, Ballannahme mit der Innenseite, solche Dinge. In Mario Strikers: Battle League Football muss ich dafür den richtigen Zeitpunkt und den richtigen Knopf erwischen. Klingt leichter, als es ist.
Es gibt perfekte Schüsse, perfekte Pässe, perfektes Tackling, perfektes Ausweichen, das Durchlassen von Pässen, es gibt auch Items (Wir reden ja von einem Mario-Spiel!) und die sogenannten „Hyper Strikes“. Das sind Schüsse, die nur durch Einsammeln eines besonderen Items durchführbar sind und – wenn ich dann die richtigen Knöpfe zur richtigen Zeit erwische – garantiert treffen.
Will sagen: Es ist nicht leicht, in Mario Strikers: Battle League Football gut zu sein. Dafür muss vieles sitzen, etwa das Teambuilding, die taktische Aufstellung und Bewegung, und natürlich das Meistern aller verfügbaren Kniffe. Aber ich wollte ein Fußballgame, das anders ist und mich fordert, und das habe ich bekommen. Deswegen ist Aufgeben auch keine Option.
Doppelpässe, besser als in der Champions League
Zusätzlich zum schnellen Spiel gibt es in Mario Strikers: Battle League Football auch Cups, die es zu meistern gilt. Mein erstes Ziel ist es also, einen Cup zu gewinnen. Ich tausche Mario durch Donkey Kong aus, weil ich mir dadurch mehr Durchschlagskraft erhoffe. Der Plan geht auf.
Rosalina und Peach zaubern sich im Tiki-Taka durch die gegnerische Mannschaft. Peach hämmert das Leder per Kopfball ins Lattenkreuz, Rosalina netzt zwei Distanzschüsse ein, ich fühle mich plötzlich wie Silvia Neid. Drei Siege später stehe ich mit meinem Team im Finale.
Wir spielen gegen Wario, Waluigi, Toad und Yoshi. Eine tödliche Kombination. Wario räumt im Sechzehner auf, Peach hat keine Chance gegen das Schwergewicht. Waluigi und Toad spielen Doppelpässe, wie sie selbst der FC Barcelona noch nicht gesehen hat. Und Yoshi ist komischerweise immer da, wo er seiner Mannschaft gerade am meisten nützt.
Ich habe derweil immer noch Schwierigkeiten mit der Steuerung. Klar, vieles pendelt sich mit der Zeit ein, aber es ist vor allem das Spielgeschehen an sich, das mir zu schaffen macht.
Es ist ein kleines Spielfeld, auf dem zehn Spieler*innen stehen. Vier davon muss ich selbst die ganze Zeit steuern, die anderen vier bestenfalls im Blick behalten, damit ich Blutgrätschen ausweichen und Pässe perfektionieren kann. Und parallel sollte ich noch die Knopfbelegung (Die sich nicht ändern lässt!) auswendig kennen und damit auch die Zeitpunkte, an denen ich perfekte Spielzüge durchführen und somit Vorteile erspielen kann.
So wirklich kann ich mich also nicht freuen, nachdem der erlösende Abpfiff ertönt und ich mit meinem Team keinen Kantersieg, aber die Turniermeisterschaft feiere. Es war ein knappes 1:0 für mich, aber irgendwie fühlt es sich mehr so an, als hätte die KI Mitleid gehabt und gesagt: „Wenn wir sie nach den Niederlagen im Tutorial jetzt noch mal verlieren lassen, spielt sie keine Sekunde weiter.“ (Womit sie vielleicht auch recht hatte, aber nur vielleicht.)
Ich gewinne zwei weitere Cups, ohne nennenswerte Fortschritte zu machen. Jedes Tor, das ich schieße, wirkt nicht gewollt, sondern eher wie eine Verkettung glücklicher Zufälle. Auch wenn sie toll aussehen und die Jubelanimationen der Charaktere supercool anzuschauen sind, kann ich mich nie wirklich freuen.
Das, was ich spiele, macht jedoch unerwartet viel Spaß: das Höllentackling ist irgendwie doch eine „nette“ Spielmechanik, die Hyper Strikes bieten unglaublich gute Zwischensequenzen, die Items bringen Abwechslung rein und Bumm Bumm ist die perfekte Mischung aus Welttorhüter und Kreisligagurke.
Ein perfektes Fußballgame, nur leider ohne Content
Das wiederum kann nicht von den Schwächen ablenken, die das Spiel überschatten. Es gibt sehr wenig Content: zehn Spieler*innen, sechs Arenen und sechs Cups. Online kann man in Teams gegeneinander konkurrieren und sich an die Weltspitze spielen. Abseits davon gibt es nicht viel, das mich an das Spiel fesselt.
Und durch die anfangs erwähnte Ausrüstung gibt es zwar die Möglichkeit, die körperlichen Fähigkeiten der Charaktere zu verändern und somit an den eigene Taktik anzupassen – mehr Customizing als das gibt es aber nicht.
Mario Strikers: Battle League Football ist für mich also rein objektiv gesehen das perfekte Fußballgame, weil es nicht dieselbe, langweilige Profifußballsimulation ist, die ich seit Jahren so verabscheue.
Mario Strikers: Battle League Football ist kreativer Kreisligafußball in all seinen Facetten, aber es scheitert an mangelnder Spielübersicht, nicht anpassbarer Steuerung und Content-Armut. Ich möchte das Game brillieren sehen und das tut es aus meiner Sicht auch im Vergleich zu allen anderen Fußballvideospielen, weil es schlichtweg sehr viel Spaß macht. Aber für mehr wirkt es zu unausgereift, zu steif, zu chaotisch.
Fazit
Mario Strikers: Battle League Football bietet keinen stocksteifen Profifußball, sondern dynamische Kreisligamatches, bei denen es keine Regeln gibt und die deshalb viel Unterhaltung bieten. Wer sich gerne in komplexe Spielmechaniken reinfuchst und von FIFA die Schnauze voll hat, findet hier vielleicht einen neuen Lieblingstitel.
Sehr schönes Review. Nur habe ich die wasted-matrix vermisst
Hut ab fuer das 16fache Unterbringen des Begriffes „Kreisliga“
@lnhh Haha! Wollte auf Nummer sicher gehen. Falls noch nicht klar war, wie sehr ich diese Gurkenklasse liebe.
Wider erwarten (…weil was soll ein Fußballspiel schon bieten?) echt eine schöne Review, hat sich gebockt zu lesen
(…und auch dass du diesmal Begriffe der Generation Z rausgelassen hast :p)
Was sind denn Generation-Z-Begriffe?
Begriffe (wörtliche Neukreationen) der Generation Z.
Kannst du da ein, zwei Beispiele nennen weil mir ist da jetzt in Leas älteren Texten nichts ins Auge gestochen was nur generationenspezifisch zu verstehen ist.
Und ich bin alt und mag keine jungen Leute!
Als Gen Y habe ich kein Problem, wenn ab und zu Begriffe der Gen Z von Personen der Gen Z reingeworfen (geschrieben) werden.
Ja, bei anderen wäre es vielleicht etwas peinlich.