Opulente Games, die sogar auf den lahmsten Rechnern laufen: Das ist das große Versprechen von Cloud Gaming. Aber wo kommt die Idee her – und was hat Nvidia damit zu tun? Michael Förtsch erzählt uns die ganze Geschichte.

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Es war ein Elend. Ich lebte in einer kleinen Wohnung im Münchner Umland und hatte einen Rechner unter dem Ess-/Schreibtisch auf dem Batman: Arkham Asylum und FEAR 2 in etwa so flüssig liefen, wie Harvey Weinstein auf dem Weg zu seinem Prozess. Geld für ein neues Mainboard, Prozessor und Grafikkarte? Pah, nicht bei meinem Praktikantengehalt. In diesen Tagen zeichnete mir jemand das verheißungsvolle Bild einer Zukunft, in der sich solche Probleme einfach in Luft auflösen würden.

„Du brauchst deinen PC bald nicht mehr aufzurüsten – zumindest nicht, um die neuesten Games spielen zu können“, sagte er mir. „Und du brauchst dir auch nicht alle paar Jahre eine neue Konsole kaufen“. Bei diesem jemand handelte es sich um David Perry. Es war 2011 als ich dieses Interview mit ihm via Telefon führte. David Perry ist manchen wohl als Vater von Earthworm Jim und Gründer von Shiny Entertainment bekannt, das er 2002 für einige Millionen an Atari verkauft hat. Aber das war nicht der Grund für das Gespräch, sondern Gaikai.

Im Jahr 2008 hatte er dieses Start-up gegründet, dessen japanischer Name so viel bedeutet wie „offenes Meer“. Es war eine Firma, die Cloud Gaming möglich machen wollte. Computerspiele laufen beim Cloud Gaming nicht auf einem PC unterm Tisch oder einer Konsole im TV-Schrank, sondern auf dedizierten Servern in einem Rechenzentrum irgendwo im Nirgendwo. Die Bilder werden über das Netz auf den Fernseher oder den Monitor nach Hause gestreamt und die Steuerkommandos zurück.

Service: Gaikai
Gründungsjahr: 2008
Firma: Gaikai B.V.
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Was ist daraus geworden? Wurde zu PlayStation Now

Eine geniale Idee, die voll in die It’s all about the cloud!-Begeisterung jener Zeit passte. Einige Wochen vor meinem Interview war gerade die Public Beta von Gaikai ausgelaufen und der Dienst offiziell gestartet. Spore, Dead Space 2 und Mass Effect 2 konnten US-Nutzer auf Rechnern anzocken, die eigentlich zu schwach für diese Games waren. Sogar auf dem iPad waren die Games spielbar. „Es funktioniert gut“, versicherte mir Perry damals. Und tatsächlich: Es funktionierte, wenngleich nicht perfekt. Die Spiele ruckelten manchmal und bei schnellen Games wirkte es dann und wann, als käme das Spiel den Steuereingaben nicht hinterher.

G-Cluster : Der Pionier vor dem Pionier

David Perry war ein Pionier. Aber er war nicht der erste, der auf die Idee mit dem Cloud Gaming kam. Rund zehn Jahre vor Gaikai, 1999 im Paläolithikum des mobilen Internets, wurde die Idee für G-Cluster geboren, ein Service an den sich heute kaum noch jemand erinnert – und das zu Unrecht. „Wir waren die Ersten, oder zumindest gibt’s niemanden, von dem wir wissen, der vorher an so etwas gearbeitet hat“, sagt mir Erik Piehl, der Gründer von G-Cluster. Die Idee des finnischen Start-ups war es, hochwertige Videospiele auf Mobilgeräte zu bringen. Denn die Hardware der damaligen Geräte taugte nicht ansatzweise als potente Gaming-Plattform. Zur Relation: zu dieser Zeit war das Nokia 3310 top notch, das erste iPhone kam erst Ende 2007. „Wir dachten, wir könnten das mit Servern lösen“, sagt Piehl. Die Games sollten auf kraftvoller Hardware in Rechenzentren laufen. Die Bilder sollten dann einfach auf die Smartphones gestreamt werden.

Das Unternehmen werkelte dafür an G-Screen, einer Kompressions- und Streaming-Technologie samt App über die alles laufen sollte. Und das nicht nur dort, wo schnelles WLAN zu Hause ist – aka @home -, sondern auch unterwegs. Das war aber etwas kniffliger, als ursprünglich gedacht. „Wir setzen stark auf einige Technologien, die zu dieser Zeit noch im Kommen sind: schnelles und günstiges Mobilbreitband via 3G und Geräte mit guten Farbbildschirmen“, so Piehl. Zwischen 2002 und 2003 hatte das Start-up seine Software soweit, um loszulegen. Ein klitzekleines Detail aber fehlte noch, nämlich… so ziemlich alles andere, oder genauer: Entsprechende Telefone und ein Internet, die den Einsatz ihrer Technologie überhaupt erst ermöglichten.

Service: G-Cluster
Gründungsjahr: 1999
Firma: G-cluster Ltd.
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Was ist daraus geworden? Heute nur noch in Japan aktiv

Aber vom schnellen Internet unterwegs und den Telefonen war weit und breit nichts zu sehen. Daher schwenkte G-Cluster kurzerhand um. Nicht mehr auf die Smartphones, sondern auf die Fernseher zu Hause sollten nun die aufwendigen Games kommen. Die Idee? Einfach die vorhandene Technik der zu dieser Zeit schon recht verbreiteten Set-Top-Boxen nutzen. G-Cluster entwickelte ein gameplayer-Programm, wie es Piehl nennt, das von vielen der kleinen Kästen unter den Fernsehern unterstützt wurde und mit einem Software-Update der Betreiber eingespielt werden konnte. Zack bumm, fertig war die Cloud-Gaming-Konsole. Easy.

Niemand verstand das Konzept, außer … MC Hammer

Na gut, ganz so easy war die Sache für die Truppe von G-Cluster dann doch nicht. Als G-Cluster seinen Dienst auf Messen wie der E3 vorstellte, mochte keiner so recht verstehen, was die Finnen da eigentlich machen wollten. „Wir mussten alles erklären“, meint Piehl. „Aber wenn sie es kapiert haben, waren sie beeindruckt.“ Darunter war angeblich auch der Rapper MC Hammer, der die Firma kaufen wollte. „Das war cool und merkwürdig“, erzählt Piehl.

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Erstmals richtig an den Start ging G-Cluster dann 2005 auf Zypern – als Angebot und Technologieexperiment der Kommunikationsanbieter Alcatel und Thirdspace. „Wenn ein Kunde einen Spieletitel auswählt, wird die Spielesoftware in einem der sechs miVision-Server-Zentren ausgeführt“, so die damalige Presserklärung. Die waren mit Rechnern mit Nvidia-Grafikkarten bestückt. „Höchstwahrscheinlich GeForce 6600GT“, meint Piehl, aber ganz genau weiß er es nicht mehr.

Die G-Cluster-Technologie soll erstaunlich gut funktioniert haben. Klar, ein paar Titel waren wegen der Latenzen nur schwer spielbar, aber Games wie Beyond Good & Evil und X-Men: Legends strömten mit stabilen 25 Bildern pro Sekunde auf die Fernseher – das Maximum, das die heimische DSL-Verbindungen und Set-Top-Boxen ermöglichten. Die Erfahrung war aber offenbar gut genug, denn G-Cluster startete auch in anderen Teilen der Welt, etwa in Frankreich oder Japan.

G-Cluster hat nur in Japan überlebt

Dennoch scheint G-Cluster im Westen total vergessen und dafür gibt es gute Gründe, wie der finnische Gründer in der Rückschau sagt. „Wir betrieben G-Cluster als eine Technologiefirma“, meint er. Das heißt: G-Cluster hat sich mit seiner Technik nie direkt an die Gamer gewandt und versucht, seinen Service an Privatkunden zu vermitteln. Stattdessen haben die Macher immer auf die etablierten IPTV-Provider verschiedener Regionen gebaut – wodurch kaum jemand das finnische Unternehmen mit dem revolutionären Service in Verbindung brachte. Dazu zog sich der G-Cluster-Eigner Broadmedia, der das Unternehmen 2004 gekauft hatte, nach und nach aus westlichen Ländern zurück. Heute ist G-Cluster daher nur noch in Japan verfügbar.

Andere Cloud-Gaming-Entwickler fuhren von Beginn an eine andere Strategie. Darunter das eingangs erwähnte Gaikai und ein Start-up, welches das Thema Cloud Gaming erst wirklich bekannt machte.

Absturz und OnLive

Es war eine große Welle, die David Perry ab 2010 mit Gaika machte. Dabei war der Dienst eigentlich spät dran. Nur ein Jahr zuvor hat der für seine Mitarbeit an Quick Time, Microsoft TV und der Xbox 360 bekannte Steve Perlman auf der Game Developers Conference sein Start-up OnLive vorgestellt. Einen, wie er sagte, „revolutionären Games Service“, der den Markt für Videospiele, Konsolen und Gaming-PCs kräftig aufrütteln sollte. OnLive wollte High-End-PC-Games auf jeden noch so lahmen Computer und Fernseher zaubern – in 720p und bei 60 Bildern pro Sekunde sollten die Nutzer die bekommen. Und das, ohne jedes einzelne Game kaufen zu müssen, sondern für ein monatliches Abo von 14,99 US-Dollar, das Zugriff auf eine riesige Bibliothek von Titeln geben sollte. Ein Netflix – für Games, wie man heute sagen würde.

Perlman erzählte damals, dass es die technologischen Fortschritte waren, die ihn auf die Idee zu OnLive brachten. Von G-Cluster hatte er angeblich nie gehört. Wobei Piehl und andere durchaus sicher sind, dass sich der Silicon-Valley-Veteran von den Finnen inspirieren ließ. Aber es stimmt schon: Am Ende dieser Dekade versprachen neue Videokompressionstechnologien und schnelles Internet das Streaming endgültig zu dem Ding zu machen. Und es gab die Möglichkeit, die ganze Technik für eine taugliche Streaming-Konsole in eine kleine Box zu quetschen, die gerade so groß war wie eine Zigarettenschachtel.

Service: OnLive
Gründugsjahr: 2004
Firma: OnLive, Inc
Bestes Spiel im Katalog: Deus Ex
Was ist daraus geworden? Wurde nach einer schrägen Rettungsaktion von Sony gekauft

Statt einer Konsole von der Größe eines Videorekorders sollten OnLive-Kunden einfach einen Controller und eine kleine Konsole bekommen – für einmalige 99 Euro. Etwas Strom und ein HDMI-Kabel und schon sollte es losgehen können. Es war ein mutiges Konzept – und eine Kampfansage an Sony, Microsoft und Nintendo, die sich mit ihren Konsolen den Markt aufteilten. Das blieb nicht unbeachtet. „Oh, wir hatten die im Auge“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter einer dieser Konsolenhersteller: „Als OnLive seine Präsentationen machte, gingen wir natürlich hin – wir wollten uns das anschauen […] einige waren etwas beunruhigt, wie gut das aussah und wie begeistert die Presse war.“

Am Ende fehlten die Spiele

Tatsächlich konnte OnLive überzeugen. Gestreamt aus einem unweit gelegenen Data Center rieselten die Bilder während der Präsentation auf der Game Developers Conference flüssig auf einen großen Fernseher, der nur bei genauem Hinsehen einige Kompressionsartefakte erkennen ließ. „Wir diskutierten schon, was es bedeuten könnte, wenn OnLive zum Erfolg wird“, sagt der anonyme Ex-Konsolenhersteller-Mitarbeiter weiter. Denn OnLive startete bereits am 17. Juni 2010 in ersten US-Bevölkerungszentren und über 100.000 Menschen hatten sich für Beta-Tests angemeldet. Verfügbar war OnLive aber nur dort, wo es eigene Server in der Nähe hatte, um die berüchtigte Latenz niedrig zu halten. Ein weiteres Problem war, dass es dem Cloud-Spiele-Anbieter an etwas nicht ganz Unwesentlichem mangelte, nämlich: An Spielen in der Cloud.

Nur zehn Games umfasste die Bibliothek von OnLive zum Start der Beta –Gaikai hingegen bot dutzende von Demos zum Anspielen. Viele Entwickler trauten OnLive einfach nicht so recht über den Weg. Warum Titel, die sich für 60 Euro verkaufen lassen, bei einem Dienst einstellen, der nur eine fixe Summe von den Spielern verlangt? Die OnLive-Bibliothek wuchs deswegen nur langsam. Rund 100 Games waren es in der Spitze – darunter LA Noir, NBA 2K12, Duke Nukem Forever, Homefront, Darksiders 1 und 2, Deus Ex: Human Revolution, Dirt 3 und Assassin’s Creed. Games von EA, Activision, Bethesda? Fehlanzeige. Auch, weil Perlman jedes Game, das Streaming-Konkurrenz Gaikai im Portfolio hatte, nicht auf seiner eigenen Plattform haben wollte.

OnLive: Wenig Spieler, hohe Kosten

Zum Höhepunkt im Jahr 2012 sollen sich laut OnLive 1,5 Millionen Nutzer pro Monat eingeloggt haben – inoffiziellen Angaben zufolge waren es aber nicht einmal 275.000. Im Jahr 2012, nur einige Monate nach dem Start in Großbritannien und der Veröffentlichung von OnLive-Apps für Android- und iOS-Geräte, drohte OnLive daher bereits zu zerfallen. Das stockende Wachstum war ein riesiges Problem für das Unternehmen, das pro Monat rund 5 Millionen US-Dollar verbrannte – hauptsächlich für all die Server, die es für potentielle und zahlende Kunden bereithalten musste, die aber natürlich nur unregelmäßig spielten.

Es war in diesem Jahr in dem Nvidia dem Unternehmen eine Lösung vorschlug, auf die Perlman aber aus unbekannten Gründen nicht einging – dazu später mehr. Den Computerhersteller HP, der OnLive bereits mit einem Millionenleihgabe aushalf und der ebenfalls ein Offerte abgegeben hatte, ließ Perlman so langen zappeln, bis das Angebot zurückgezogen wurde.

Im August 2012 wurden alle Angestellten entlassen und jegliches Eigentum der Firma an ein neues Unternehmen verkauft, das OL2 hieß und einige der ehemaligen Mitarbeiter erneut anheuerte. Der Besitzer des neuen/alten OnLive war eine Firma namens Lauder Partners, die OnLive für nur 4,8 Millionen US-Dollar übernahm und Steve Perlman kurz darauf vor die Tür setzte. Ein bizarrer Deal angesichts der Tatsache, dass alleine der Wert der Patente von OnLive auf Dutzende von Millionen Dollar geschätzt wurde.

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OnLive existierte nach der Übernahme noch drei Jahre weiter und versuchte sich zumindest ein wenig neu zu erfinden. Ein Dienst namens CloudLift machte es Spielern möglich Games, die ihnen auf Steam gehörten, auf Server zu laden und von dort zu streamen. Eine eigentlich innovative Idee, die aber nicht verfing. Ebenso kam eine App für die seinerzeit gehypte Android-Konsole Ouya, die sogar ziemlich gut funktionierte – im Gegensatz zur Ouya selbst. Und so strauchelte OnLive dahin, bis es 2015 aufgekauft wurde. Und zwar von Sony, das den Dienst kurz darauf einstellte. Die Japaner hatten es nur auf die Patente abgesehen.

Sony kommt ins Spiel

Für David Perry und Gaikai lief es deutlich besser als für OnLive. Die Firma des Ex-Shiny-Gründers fand schnell viele Partner. Die Möglichkeit neue Games direkt im Browser mit spielbaren Demos zu bewerben, war ziemlich attraktiv – auch weil sich Spieler für Gaikai kein gesondertes Konto anlegen mussten, sondern einfach los spielen konnten. „Ich glaube, dass Gaikai für die Spieler einen echten Mehrwert hat […] dass wir damit eine neue Möglichkeit schaffen, Spiele auszuprobieren, bevor du sie kaufst“, sagte mir Perry 2011 in einem Interview. Kaufen konnten die angeblich bis zu zehn Millionen monatlichen Spieler ihr Game dann direkt am Ende der Demo oder im Menü – natürlich als Disk oder Download.

Perry deutete bereits damals an, dass er mit Gaikai durchaus Größeres vorhatte als nur eine Werbeplattform zu betreiben. „Unsere Technologie und das schnelle Internet, das sich langsam ausbreitet, das wird viel verändern“, sagte er. „Dass Cloud Gaming die traditionellen Konsolen verdrängen würde, sagte er nicht – jedenfalls nicht direkt. Aber: „Wer weiß, ob Dienste wie unserer nicht zu einer weiteren großen Kraft werden.“

Aus Gaikai wird PlayStation Now

Im Juni 2012 kündigte Gaikai seine Open Plattform an; einen Dienst wie ihn ironischerweise einst G-Cluster konzipiert hat. Statt selbst einen Streaming-Dienst für vollständige Games anzubieten, wollte Gaikai anderen Unternehmen anbieten, einen solchen Dienst für sie als End-to-End-Solution zu betreiben, etwa für Unternehmen wie Samsung, das genau das für seine Smart-TVs haben wollte. Aber bevor Gaikai mit seiner Open Plattform richtig loslegen konnte, wurde es abrupt weggekauft.

Sony schnappte sich den Streaming-Dienstleister im Juni 2012 für einen Preis von 380 Millionen US-Dollar. Die Technologie von Gaikai wurde zur Basis des 2014 angekündigten und im gleichen Jahr in einer ersten Beta gestarteten Dienstes PlayStation Now, das heute fest etabliert ist und mehrere Millionen Nutzer hat.

Nvidia sorgt für die Zukunft

In der Zeit in der PlayStation Now kräftig Anlauf nahm, begannen auch andere Firmen sich mit Cloud Gaming zu beschäftigen. Aber viele Unternehmen wie LiquidSky verschwanden damals schnell und sind heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Ganz im Gegensatz zum Grafikkartenhersteller Nvidia, der das Cloud Gaming bereits seit einigen Jahren sehr interessiert verfolgt hatte. „Von Beginn an hat Nvidia alle Cloud-Gaming-Start-ups – darunter G-Cluster, OnLive und Gaikai – mit GPUs, Videoaufnahme- und Kodierungssoftware unterstützt“, sagt mir Phil Eisler, der bei Nvidia für GeForce Now zuständig ist. Daher hat das Unternehmen auch an Technologien gearbeitet, die einige der größten Probleme der Cloud-Gaming-Anbieter auflösen sollten: Das ziemlich aufwändige und oft langsame Umrechnen der Bilder in einen Videostream – und die Tatsache, dass für jeden Spieler ein eigener Server nötig ist und daher zahlreiche Server oft ungenutzt vor sich hinlaufen, wenn gerade wenig los ist.

Cloud-Gaming hat nicht nur Fans

Mit dem Start der Kepler-Grafikkartenarchitektur im Jahr 2012 kann das Umrechnen in einen Videostream direkt von einem dedizierten Chip übernommen werden. Dazu erlaubte es eine Technik namens VGX, dass eine Grafikkarte bis zu 100 Nutzer gleichzeitig bedient. Genau diese Möglichkeiten hatte der Chiphersteller einst OnLive vorgestellt, doch der Cloudgaming-Pionier schlug sie aus. Gaikai hingegen war begeistert – und Nvidia und Gaikai kündigten prompt eine Kooperation an. Aber warum nicht auch selbst einen Streaming-Dienst aufbauen, dachte sich Nvidia, wenn eh schon die ganze Technik bei uns rumliegt? Oder wie Phil Eisler es ausdrückt: „Wir haben damals erkannt, dass Cloud Gaming aufgrund des einfachen Zugangs zu hochleistungsfähigen 3D-Spielen langfristig ein gutes Potenzial hat.“

Service: GeForce Now
Gründungsjahr: 2013 als Nvidia Grid
Firma: NVIDIA Corporation
Bestes Spiel im Katalog: Abriss Build To Destroy

Dabei verfolgte Nvidia einen anderen Ansatz als seine Vorgänger. Mit Grid startete der Grafikkartenentwickler 2012 in Kalifornien ein Pilotprogramm, das es Spielern möglich machte, zunächst „einige Dutzend Videospiele“ zu spielen und zwar dann, wenn diese – ähnlich dem OnLive-Experiment CloudLift – die Spiele bereits besaßen. Statt auf dem eigenen Rechner liefen die Titel dann eben auf Servern mit den GRID-K520-Grafikkarten in einem Rechenzentrum. Das Konzept ist beim heutigen GeForce Now noch genau das gleiche. „Das heißt, die Spieler haben ihre eigene Bibliothek an Games“, sagt Eisler. Heute sind über 1.400 Videospiele mit GeForce Now kompatibel.

Dieses Konzept sorgte und sorgt auch heute noch bei manchen für Murren. Einige Publisher und Entwickler sehen es mit Skepsis, dass Nvidia ihre Games zum Spielen auf einer eigenen Plattform anbietet – auch, wenn die Spieler eben nur jene Games spielen können, für die sie ja schon bezahlt haben. Bethesda und Activision Blizzard ließen ihre Games daher mit einer wackeligen Begründung entfernen. Aber jene Games, die weiterhin via GeForce Now spielbar sind, laufen seit dem Ende der Beta im Februar 2020 in 30 strategisch ausgesuchten Rechenzentren rund um die Welt, die Spieler in über 100 Ländern versorgen, die an PCs, Macs, vor Smart-TVs mit Android TV, an Smartphones, Tablets und selbst an Chromebooks sitzen.

Cloud Gaming ist gekommen, um zu bleiben

Heute streiten neben den schon genannten noch zahlreiche weitere Dienste darum, eine Größe im Cloud-Gaming-Markt zu werden. Oder ihre Relevanz auszubauen. Selbstverständlich hatte etwa Google mit Stadia einen eigenen Cloud-Gaming-Dienst, der 2019 mit viel Tamtam an den Start ging und bei dem kürzlich der Stecker gezogen wurde. Microsoft hat xCloud – eigentlich Xbox Cloud Gaming –, das ebenso 2019 gestartet ist. Und freilich hat auch Amazon mit Luna einen eigenen Cloud-Gaming-Service. Neben diesen großen Namen strugglen derzeit auch einige kleinere Cloud-Gaming-Projekte um Aufmerksamkeit und Spieler. PlayKey und Shadow sind da die Relevantesten. Einige wie Jump, Kalydo und das oben schon erwähnte LiquidSky haben zwischenzeitlich bereits aufgegeben. Dazu kann sich, wer mag, mit Cloud-Providern wie Paperspace, Vultr, Shrine, Agile, AirGPU und Tools wie Parsec und Moonlight einen Gaming-Rechner in der Wolke basteln.

Die große Frage, die sich in den vergangenen Jahren immer wieder gestellt hat – nämlich: Wird sich Cloud Gaming durchsetzen? – diese Frage ist wohl eigentlich schon beantwortet. Ja, Cloud Gaming wird sich durchsetzen, Cloud Gaming hat sich eigentlich auch schon durchgesetzt, zumindest in einer sehr, sehr breiten Nische. Die Vorteile sind einfach bestechend, denn so lange das Internet nicht hakt und ruckelt genügt jeder noch so mittelmäßige Rechner und der billigste Smart-TV, um ein grafisch opulentes Game zu zocken. „Rund 80 Prozent der GeForce-Now-Mitglieder spielen auf einem System, auf dem das Game das sie spielen sonst nicht laufen würde“, sagt Eisler von Nvidia.

Bei anderen Cloud-Gaming-Diensten sollen die Zahlen ähnlich liegen. Hinzu kommt: keine Gigabyte-großen Downloads und keine Abstürze, weil irgendein Treiber hakt – und wenn, dann kümmert sich jemand anderes darum. Und wenn es irgendwann mit dem 5G-Ausbau klappt, dann sind selbst die aufwendigsten AAA-Games überall auf dem Smartphone unterwegs spielbar, niemand braucht dann ein SteamDeck mit sich herumzuschleppen, das so schwer und klobig ist, dass sich damit ein Gebäude einreißen lässt.

Was macht Cloud Gaming mit dem Gaming?

Also alles cool mit dem Cloud Gaming? Nicht ganz. Denn es drängen sich doch noch einige weitere Fragen und sogar handfeste Sorgen auf. Viele Cloud-Gaming-Dienste setzen auf Lizenzen – sie kaufen die Rechte ein, bestimmte Games auf ihren Plattformen für die Nutzer spielbar zu machen – etwa in einem Abo. Das Problem: Läuft die Lizenz aus, ist das Game plötzlich weg – und damit die Möglichkeit, weiterzuspielen. Bei einem Film oder einer Serie auf Amazon Prime Video oder Netflix mag das vielleicht noch okay sein, aber bei einem Videospiel, in das jemand dutzende Stunden investiert? Ein weiteres Problem: Verschwindet ein Cloud-Gaming-Dienst, dann verschwinden auch sämtliche Errungenschaften, Speicherpunkte oder auch gebaute Welten und Charaktere.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der vielen durchaus brisant erscheint. Spiele, die zentral in der Cloud liegen, lassen sich nicht modifizieren. Die Drachen in Skyrim lassen sich dann also nicht in Thomas, die kleine Lokomotive verwandeln oder Grand Theft Auto 5 derart mit Mods zuballern, dass es aussieht, als wäre es fünf Jahre später in der Zukunft erschienen. Sicher, wer Mods will, der kann natürlich auch einfach weiter auf dem PC spielen. Aber dennoch würde dadurch die Videospielkultur wohl ein Stück weit ärmer – so zumindest die Befürchtung.

Epilog

Vor einiger Zeit bin ich erneut umgezogen. Es steht immer noch ein PC neben meinem Schreibtisch, ein echtes Arbeitstier, das viele der aktuellen Games stemmen kann. Dennoch greife ich dann und wann auf Gaming in der Cloud zurück. Etwa weil ich ein Game antesten will oder wenn ich über Weihnachten oder im Sommer bei der Familie zu Besuch bin und nur den Laptop dabei habe. Dass Cloud Gaming das Spielen auf eigener Hardware so schnell überflüssig macht, daran glaube ich zwar nicht, aber es wird in den kommenden Jahre wohl völlig normal werden. Spielen in der Zukunft, das wird heiter – und verdammt wolkig.

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3 Kommentare


Kommentare

  1. Avatar for VfBFan VfBFan says:

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  2. Spiele immer wieder mal über meinen kostenlosen Account von GeForce Now in Games rein, wo ich entweder nicht den Download abwarten will oder weil meine inzwischen etwas in die Jahre gekommene Maschine diese nicht mehr packt. Ob ich mir mit Blick auf das Support-Ende von Windows 10 bald einfach nur einen soliden aber eben auch sparsamen Office-PC mit GeForce Now Premium oder einen teueren und vergleichsweise energiehungrigen Grafikbeschleuniger hinstelle wird sich noch zeigen. Tendiere angesichts einer im Haus vorhandenen PS5 aktuell tatsächlich zu Letzerem.

  3. Ich kann einen Rechner in der Cloud empfehlen. Etwa über einen Dienst wie Paperspace. Dann Parsec drauf … Steam und los gehts. Bezahlst eine monatliche Bereitstellungsgebühr, aber sonst nur, was du in Stunden verdaddelst.

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