Funzeliges Tool des Überlebens. Das sind viele Taschenlampen in Spielen. Irgendwo zwischen superwichtiger Spielmechanik und überflüssiger Spielerei hat unsere Autorin Höhlenforscher*innen gefragt, welche Lampen sich wirklich für die Zombie-Apokalypse eignen.
Und es ward Licht. Glitzernd, brennend, Funken sprühend. Sobald er den Lichtkegel der Taschenlampe auf sie richtet, leuchten sie auf, die Schemen in der Dunkelheit, Axt in der Hand, im Angriff, die Ungeheuer in der beinahe ewigen Dunkelheit des Schriftsteller-Albtraums, der Alan Wake ist. Licht macht sie verwundbar, die Monster. Erst dann zielen, schießen, treffen. Und weiter. Schöpfung umgekehrt. In Remedys Alan Wake wird das Licht zur ultimativen und überlebenswichtigen Waffe. Die Taschenlampe zum Tötungs-Tool. Nur angeleuchtete Feinde sind tote Feinde. Das Flashlight – ein beliebtes Spielelement. In Kombination mit der passenden Dunkelheit – großer Hoffnungsträger intensiver Immersion.
Monster unterm Bett
Die Dunkelheit ist eine dankbare Designentscheidung, weil sie wirkt. Ohne Tamtam, ohne große Erklärung. Wir alle kennen sie, haben als Kinder Monster in dem schwarzen Schattenstreifen unter dem Bett erwartet. Haben wahlweise Trost oder Orientierung in Nachtlichtern gesucht, je nachdem, ob wir aus einem Albtraum stolperten oder im Dunkeln auf dem Weg zum WC. Nacht und Tag, Schatten und Licht – darauf liegen ganze Schwerlaster an kulturgeschichtlicher Bedeutung. Die ewige Dualität zwischen Hell und Dunkel, gerne und lange geknüpft an ebenso binäre Zuordnungen normativer Natur wie gut und böse, richtig und falsch. Die kommt auch den Spielen zugute, weil sie nicht groß erklärt werden braucht. Wenn es in Spielen dunkel wird, dann muss meistens geschossen werden. Das gilt natürlich vor allem mal für Genres wie den Survival Horror. Aber auch Ego-Shooter wie Doom 3 oder die Metro-Reihe nutzen die Dunkelheit für sich. Und geben uns ein Tool an die Hand, mit dem wir mal kämpfen, mal erkunden, immer aber im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel bringen müssen: die Taschenlampe.
Reine Stimmungsmache
In vielen Spielen ist sie ein Basic Item. Wirkliche spielmechanische Bedeutung hat sie aber nicht immer. Oft bleibt sie ein rein dramaturgisches Element. Gut für die Stimmung, sonst aber für nicht allzu viel. Auf der USG Ishimura zum Beispiel, dem albtraumungeheuerverseuchten Raumschiff, das wir in Dead Space von 2008 cleansen müssen. In den finsteren Sci-Fi-Fluren ist die Gänsehaut unser ständiger Gaming-Genosse – vor allem auch der großartig gruseligen Lichtstimmung wegen, die unsere funzelige Taschenlampe durch die nur scheinbar verwaisten Korridore wirft. Bevor wieder eines der missgestalteten Aliens aus irgendeiner düsteren Nische springt und wir mit dem Laserschneider das strategic dismemberment beginnen. Aber: Licht an, Licht aus – eigentlich egal. Die Taschenlampe wirkt hier als Stimmungsmacher, nicht Kill-Tool. Ganz ähnlich ist das auch in der Silent Hill-Reihe. Feinde reagieren zwar auf das Licht – ansonsten ist die Taschenlampe aber vor allem mal Atmosphäre-Gadget.
Vom Blindfisch zum Adlerauge
Manchmal kann die Taschenlampe in Spielen aber auch mehr als nur Stimmung machen. Im Multiplayer-Shooter Left 4 Dead 2 ist die in den Waffen integrierte Taschenlampe etwa notwendig, um in den dunklen Ecken und finsteren Räumen Loot zu finden. Der Einsatz ist aber auch immer eine Risikoabwägung: Statt Loot lauert auch so manches Monster in der Finsternis. Überhaupt ist Risiko ein großes Thema in der ludischen Illumination. Sehen wollen geht mit einem erhöhten Todesrisiko einher. Was, irgendwie, fast schon existenzphilosophisch ist. In Amnesia: A Machine For Pigs, dem Nachfolger des Horror-Hits Amnesia: The Dark Descent von 2010 lockt der Schein unserer oldschooligen Öllampe Monster an und wirft uns oft genug in die lichtsymbolische Antithese, dass es in der Dunkelheit vielleicht doch sicherer ist als im Licht. Auch in der postapokalyptischen Metro-Reihe ist die Taschenlampe unser Freind – Freund-Feind. In Metro muss die Lampe regelmäßig aufgeladen werden. Je voller, desto weiter reicht der Kegel. Je nach Monsterverseuchtheitsgrad der näheren Umgebung ist das entweder hilfreich – oder tödlich. Und in Dying Light 2: Stay Human ist die Taschenlampe – und vor allem die UV-Lampe – unser bester Zombieapokalypsen-Freund. Außer wir leuchten wild in der Gegend rum und locken damit Feinde an. Abwägung ist also King: Manchmal lieber Blindfisch bleiben statt Adlerauge – und glücklicher und unversehrter leben! Auch das wieder – unverschämt weise-küchenphilosophisch von den Spielen.
Mutter aller Dunkelheit und Urvater des Taschenlampen-Genres ist aber immer noch Alone in the Dark.
Zappenduster
Und dann gibt es da noch die Spiele, in denen es so Vin Diesel-Planet-der-Finsternis-Pitchblack ist. In denen die Taschenlampe ganz grundsätzlich notwendig ist, um den Fog of Dunkel-War so weit zu lüften, dass wir uns überhaupt bewegen und agieren können. Doom 3 ist so ein Spiel. Das 2004er Installment der Höllenpforten-Metzelei ist so rabenschwarz, dass die Umgebung oft erst mit der Taschenlampe ausgeleuchtet werden muss, damit man überhaupt das Monster vorm Lauf sieht. Geistreiches Gamedesign: Es kann nur entweder Waffe oder Taschenlampe benutzt werden. Entweder wir sehen also die Monster rechtzeitig, müssen dann aber erst auf den Waffenslot wechseln, um uns zu verteidigen. Oder wir ballern im Dunkeln. Gleichzeitig geht nicht. Zumindest nicht bis zum Duct Tape-Mod, der die gleichzeitige Nutzung von Waffe und Taschenlampe zulässt (lame). Innovativ: Im Puzzle-Game Lit von 2009 müssen wir unsere Freundin in der zappendusteren High School vor schattenhaften Kreaturen retten – und das nur durch den klugen und taktischen Einsatz unserer Taschenlampe und anderer, stationärer Lichtquellen. Das funktioniert logisch ein bisschen so wie die Pestrattenmob-Steuerung via Lichtkegel in A Plague Tale und ist spielspaßmäßig einfach mal was anderes. Mutter aller Dunkelheit und Urvater des Taschenlampen-Genres ist aber immer noch Alone in the Dark. Die ist da nämlich ein echtes Multifunktionstool: Via Taschenlampe lassen sich versteckte Items und Passagen entdecken, Rätsel lösen und sogar gegen schwächere Gegner kämpfen. Also eigentlich alles, was im echten Leben auch geht: Den Ersatzschlüssel im pechschwarzen Sofaboden-Nirwana finden, Unlesbares leserlich machen. Und potentiell angriffslustigen Stadtpark-Dackeln nach Sonnenuntergang eins drüberziehen. Videospiele – so lebensnah.
Verloren ohne Lampe
In manchen Spielen (und Echtleben-Situationen) sind wir also schlicht verloren ohne Taschenlampe. So auch im eingangs erwähnten Alan Wake, in dem wir den titelgebenden schreibblockierten Beststeller-Autoren durch ein finsteres Stephen King-Setting steuern. Hier steht die Kombo Lampe-Schusswaffe im Vordergrund. Erst müssen wir die Kreaturen anleuchten, um sie verwundbar zu machen. Dann drauf schießen. Und weil es in Survival Horror-Spielen ums Survival(len) geht, kommt der Twist noch obendrauf: Ein Kreuz ist es nämlich mit den Batterien. Die Taschenlampe muss immer wieder geladen werden, sonst sieht es zappenduster aus für unseren Schriftsteller. Dass bei den Batterien dabei in schöner Regelmäßigkeit Ressourcenknappheit herrscht – that´s survival, baby. Das Spiel oszilliert zwischen Batterien-haben und Nicht-haben und damit gekonnt zwischen Herzklopf-Emotionen: ´Kommt nur alle her, ich hab` die Batterien voll` und ´Oh nein, Batterien sind aus`. Wechselbad der Gefühle zwischen Wehrhaftigkeit und Ausgeliefertsein, An- und Entspannung. Wie das Leben eben. Da steigen wir ja, panta rhei, auch nicht zweimal in denselben Fluss. Das funktioniert ganz ähnlich auch im Indie Horror-Klassiker Slender: The Arrival mit der Taschenlampe oder in Daylight mit Handylicht und Flares. Alles konstant im Fluss, unser – digitales – Leben on the line.
Nachgefragt: Die Lampe der Wahl für die Zombieapokalypse
Flares, Handylicht, Taschenlampen, Stirnlampen, an der Waffe integrierte Lampen. Spiele nutzen ja eine ganze Reihe verschiedener Leuchtmittel, um Stimmung zu erzeugen, Feinden den Weg ins Jenseits zu leuchten oder Rätsel kreativ zu lösen. Und die illuminierenden Erkenntnisse – ist das schon ein Pleonasmus? – lassen sich mit ein wenig Phantasie aus den Spielen ins Echtleben übertragen. Aber gilt das für die Leuchtmittel genauso? Wir haben bei den Finsternis-Expert*innen schlechthin nachgefragt: Höhlenforscher*innen.
In vielen Spielen ist es ja nun so, dass die Taschenlampen, vor allem, wenn sie als Stimmungsmacher dienen, stark begrenzte Lichtkegel haben. Wie in Slender: The Arrival oder Lit bleibt alles außerhalb des Lichtkegels unkenntlich, die Streuung ist quasi gleich null. Sehr realistisch ist das nicht. Und hat auf Reddit sogar schon für Empörung gesorgt. Im wirklichen Leben, vor allem mitten in der Tiefe eines Höhlenlabyrinths, wäre das doch eher fatal, oder? »Fatal wäre das nicht, auch nicht in der Höhlenforschung, aber nicht unbedingt angenehm beim normalen Gehen, sondern eher nützlich beim Inspizieren von Details aus nächster Nähe.« meint Michael Streiner, Hobby-Höhlenforscher und Betreiber der Seite hoehlenforschung.org. Denn, kleine Lehrstunde in Physik für Anfänger*innen: »Die geringe Streuung des Lichts hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen, zum einen mit der Optik in der Lampe, also Linse, Reflektor und Fokus, zum anderen mit dem Abstand zum Objekt und mit der empfundenen Helligkeit.« Wenn wir uns also mit der 30-cm-Maglite direkt mit der Nase an die Wand stellen und anschalten, dann wird uns die Blendung eins über die Rübe ziehen und es wirkt vielleicht so, als wäre alles außenrum nachtschwarz. Aber selbst dann gilt: »Es bleibt immer eine gewisse Abstrahlung des Lichts vom Objekt in den umliegenden Raum, sodass es nie hundert Prozent dunkle Fläche gibt.« Erwischt, Spiele! So eine Taschenlampenlicht-Dominanz wie in Lit und Co. ist also einfach nicht realistisch. Was allerdings auch in vielen Spielen praktikabel wäre: »In der Höhlenforschung nutzen viele zwei verschieden fokussierte Lichtquellen, einen Spot und ein Raumlicht, um sowohl auf weite Distanz etwas zu erkennen, als auch, um den nahen Raum im gesamten Blickfeld beim Gehen zu erfassen.« Also, Zeit für Taschenlampen-Upgrades in Spielen!
Licht ins Dunkel
Einen noch praktikableren Vorschlag an die Taschenlampen-Game-Designer*innen dieser Welt macht Bärbel Vogel. Die Vorsitzende des Verbands der deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. und Secretary der European Cave Protection Commission ECPC weiß Bescheid: »Höhlenforscher*innen nutzen Helmlampen, um beide Hände frei zu haben. Das wäre auch in Computerspielen gegebenenfalls ein erheblicher Vorteil.« Und wenn ihr, liebe Game Designer*innen, gleich eine Vorlage brauchen solltet – Vogel hat sogar einen Tipp: »Eine allseits geschätzte Version finden Sie bei https://www.scurion.ch/jm19/de/ . Die Lampe ist programmierbar, das heißt, der Lichtkegel kann fokussiert oder breiter gestreut gewählt werden. Die maximale Helligkeit der Lampe bleibt gleich, trifft bei Fokussierung aber auf eine kleinere Fläche, die somit heller erscheint.« Dagegen sind Spiele ja noch in der Taschenlampen-Steinzeit. Hier ist noch einiges an Entwicklungspotential. Wir wollten wissen: Welche Lampe hilft aber wirklich in der Dunkelheit? Die Vorsitzende des Verbands bringt es auf den Punkt: »Funktionstüchtige.« Davon weiß auch Alan Wake, auf der ewigen Suche nach Batterien, ein Lied zu singen. Michael Streiner führt aus: »Grundsätzlich hilft jedes Licht in der Dunkelheit.« Cool. Genauer: »Meist braucht man gebündeltes Licht, um weit zu sehen und Weg und Richtung planen zu können. Und dann braucht man flächiges Licht, ohne einen allzu hellen Fleck im Blickfeld, um dorthin gehen zu können.« Auch er empfiehlt klar – für Spiel wie (Höhlen)-Leben: »Eine Stirnlampe mit sowohl gestreutem als auch fokussiertem Licht wäre meine persönliche Empfehlung, um die Hände frei zu haben und situativ entscheiden zu können, welches Licht benötigt wird.« Eine Situation wie in Doom 3, in der man zwischen Taschenlampe und Waffe wechseln muss, ist also zwar spielmechanisch witty und herausfordernd, an sich aber nicht nur unpraktisch, sondern auch schlicht blöde. Kein Mensch würde, auch nicht 2004, auf den Mars oder in die Hölle marschieren ohne Stirnlampe, um zumindest mal die Hände frei zu haben. Come on, immersiv geht anders.
Nicht so cyberpunkig sexy und aufregend wie das UV-Licht oder der Laser
Welche Lampe eignet sich für die Zombie-Apokalypse?
Schließlich haben wir den Expert*innen auch noch die ultimative Frage gestellt: Welche Lampe würden sie für eine Zombie-Apokalypse empfehlen? Wie sollten wir in Dying Light 2: Stay Human und Co, (aus)gerüstet sein? Michael Streiner ist da eher pragmatisch: »Im Notfall nimmt man, was man kriegen kann und die einfache Austauschbarkeit oder Aufladbarkeit von Akkus wird vermutlich das größere Problem auf Dauer sein als die Lichtquelle selbst.« Das wäre dann ein Unterschied zur Höhlenforschung – üblicherweise ohne Zombies: »In der Höhlenforschung ist alles recht gut planbar und man kann sich einen zweiten oder dritten Akku mitnehmen für längere Touren und im Falle eines Unfalls auch zweitweise auf Licht verzichten und dadurch tagelang mit einem einzigen Akku auskommen, da keine Gefahren beim Rasten drohen.« Den Luxus haben Alan Wak und Issac Clarke allerdings nicht. Bärbel Vogel mag es eher klassisch-Frankenstein-wütender-mob-ig: »Leider bin ich keine Expertin für Zombie-Apokalypsen. Falls ich aber in die Verlegenheit käme und die Wahl hätte, würde ich Fackeln vorziehen.« und verbleibt mit dem Gruß: »Hoffe, Ihnen das Thema zumindest ein wenig erhellt zu haben, mit herzlichem Glück tief«. Vielleicht ist es also an der Zeit, der Taschenlampe in Spielen mehr spieleentwicklerische Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Da gibt es noch so viel dramaturgisches, spielmechanisches, optisches Potential. Und das mit einem besonderen Fokus auf die gute alte Taschenlampe. Denn: Sie hat doch endlich ein Upgrade verdient. Ja, sie ist nicht so cyberpunkig sexy und aufregend wie das UV-Licht oder der Laser. Die werden in Spielen wie Dying Light 2: Stay Human und Dead Space ja kreativ genutzt und zu denen gibt es im App Store auch Simulatoren und sonstige Spielereien. Aber sie ist bodenständig, die good old Taschenlampe. Auf sie ist Verlass. Und wie oft hat sie uns vor der Dunkelheit bewahrt, war Leuchtturm im Chaos endloser Survival Horror-Finsternis, Kompass unseres Herzklopfens. Damit wir vor unserem Screen sitzen wie im Zelt in Margaret Atwoods gleichnamiger Erzählung und gegen die Nacht anspielen können.
Willkommen Nora Beyer unter unseren Autor*innen!
Wenn ich könnte, würde ich euch das Lesen am Desktop-PC empfehlen.
Hmm, bin aber grad am Handy.
Na gut, wird dann eben erst später am PC gelesen.
Und die Tageszeit ist egal, oder erst nach 24:00 Uhr mit Taschenlampe vor dem Rechner?
Haha du darfst es auch am Handy lesen! Mann mann
Wow, toller Artikel und richtig cooler Effekt.
Habe sowas bisher noch nie gesehen !
Aufm mobilgerät (vielmehr touch-gerät) isses cool. Aber mit Maus isses cool plus wild.
Jetzt habe ich viel schneller gelesen als ich wollte, damit ich es noch im Laufe einer Batterieladung hinbekomme
Sehr schöner Artikel und sehr schöne Aufbereitung.
Wasted, ey
Die Entscheidung mit der Taschenlampe bei Doom 3 wurde wohl aus Sicht der Performance und weniger des Gamedesigns wegen getroffen. Mit der
BFG Edition
konnte man ja dann beides gleichzeitig, leuchten und schießen.@Mirko
Am Smartphone ists eher so der Easy-Mode.