Unsere Spiele des Jahres 2021

Wer AAA sagt, muss auch Indie sagen.

Es gibt Jahre, die möchte man einfach nur hinter sich lassen und nach vorne blicken. 2021 ist so ein Jahr. Fuck you, Corona! Aber war 2021 auch ein schlechtes Spielejahr? Spoiler: nein.

In Zeiten wie diesen benötigen wir besonders viel Seelenfutter. Das können gute Gespräche mit guten Freunden sein. Oder ein heißes Bad. Oder Yoga. Oder Ofenkäse. Und, ja, auch Videospiele sind Seelenfutter. Sie entführen uns in fremde Welten, lenken ab und werden zur Wohlfühlzone im Chaos des Alltags. Unsere Autor*innen haben sich die Frage gestellt, in welchem Videospiel des letzten Jahres sie sich besonders wohl (oder auch unwohl) fühlten. Once more, with feeling.

Jagoda Froer Deathloop

Wie kann ich ein ein Spiel zusammenfassen, von dem selbst der eigene Director Dinga Bakaba zugibt, es sei völlig unmöglich, es in unter 5 Minuten zu erklären? Sind sich Arkane Studios bewusst, dass sie sich allein dadurch schon den Zugang zur Massenkompatibiltät verbaut haben? War ihnen das so klar, dass sie sich deswegen für das Setting der hotten Sixties voller Miniröcke, überdimensionierter Ohrringe und verdammt viel Orange entschieden haben? Haben sie dennoch das Spiel im Stile eines inoffiziellen Dishonored 3 in Grafik, Design, Gameplay, Scripting und Audio bis zum Exzess perfektioniert und kann ich Deathloop daher Lieberhaber*innen von Stealth- und Dishonored-Spielen bedingungslos empfehlen? 10.000 Mal JA!

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Fabu Forza Horizon 5

Okay, wow, das kam unerwartet. Als Forza Horizon 5 im November des Jahres in den Himmel rezensiert wurde, haben meine Augen einen 180-Grad-Turn hingelegt, da ich es nur für einen weiteren Teil einer weiteren Rennspielserie hielt, der mir mal den Auspuff runterrutschen kann. Ich habe nichts per se gegen Racer, die Erfahrung hat nur gezeigt, dass ich sie nach ein bis zwei Stunden rechts liegen lasse. Nun kam ich mehr oder weniger spontan zu einer Xbox samt Game Pass und … liebe es, wie ein Elefant durch den mexikanischen Porzellanladen zu cruisen, hier und dort banale Aufgaben zu erledigen, Rennen zu bestreiten, die Gegend zu erkunden und den Fuhrpark mit geilen Karren aufzustocken. Klar, das alles mag stumpfes Entertainment sein, aber genau das ist es, was mir den Winterblues aus dem Schädel bläst. Serverprobleme und andere valide Kritikpunkte mindern nicht meine kindliche Freude an Forza, da sie mich als lonesome Asphaltcowboy nicht kratzen. Gesendet aus dem Cockpit meines roten Audi Sport Quattro 1983.

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Christian Schiffer We Are Football

2021 war ein schlechtes Spielejahr? Ah geh! Ich sage: Ein Jahr, in dem das beste aller Computerspielgenres ein furioses Comeback gefeiert hat, kann gar kein schlechtes Spielejahr gewesen sein! Mit We Are Football knallte Gerald Köhler, der nichts weniger ist als der Doyen deutscher Fußball-Manager-Spiele, dieses Jahr das Leder mal so richtig schön in den Giebel. Ja, natürlich: Sein neuer Fußballmanager war zunächst ein bisschen unrund, aber mein Gott: Als der FC Bayern im Februar 1900 gegründet wurde, war auch erstmal eher Acker statt Arsenal London angesagt. Mittlerweile hat sich We Are Football zu einem wirklich guten Fußball-Managerspiel gemausert.

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Jan Bojaryn Minute Of Islands

Kein Spiel hat sich in diesem Jahr so tief in mich hineingefressen, wie Minute of Islands. Die unbestimmt jugendliche Mo erwacht tief im Untergrund einer grandios gezeichneten, quasi schon verlorenen Inselwelt. Leider ist Mo die zuständige Retterin dieser Welt, sie ist auserwählt für eine hoffnungslose Aufgabe. Ihr langsamer Abstieg ist hypnotisch, die verwesende Welt gleichzeitig abstoßend und verstörend schön. Zu tun gibt es ein wenig Adventure, ein bisschen Jump’n’Run, doch das Latschen überwiegt bei weitem.  Die Geschichte mit einer sehr ernst gemeinten Inhaltswarnung und einer warmen Pointe hat mich mitgenommen. Völlig aus den Angeln gehoben haben mich aber die begehbaren Illustrationen. Gegen diesen Edelschimmel kann jeder Käse einpacken.

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Adrian Froschauer Deltarune: Chapter 2

Undertale war der Indie-RPG-Überraschungshit des Jahres 2015. Ein Rollenspiel, in dem ich mich mit Gegnern anfreunden und ein Date mit einem Skelett haben kann? Bitte mehr davon! Und tatsächlich: Solo-Entwickler Toby Fox lieferte mehr mit Deltarune – nicht wirklich Sequel oder „spiritual successor“, eher neues Arrangement bekannter Elemente mit völlig anderer (?) Welt und Story. Dieses Jahr schließlich droppte Fox das zweite Kapitel ganz nebenbei in einem Undertale-Jubiläums-Stream. Wieder geht es darum, einen Cast wahnwitziger Figuren zu bekämpfen und/oder sich mit ihnen anzufreunden. Antagonistin ist dieses Mal eine exzentrische Roboter-Königin mit einer Vorliebe für Bananen (Kalium ist wichtig), die über eine Art Internet-Königreich herrscht und … OK, das hat so keinen Sinn. Deltarune ist kostenlos erhältlich, und jedes Kapitel dauert nur etwa drei Stunden. Also probiert es selbst aus, wenn ihr eine Schwäche habt für charmante, clevere RPGs mit absurdem Humor, die zeitweise mehr Shitpost als Spiel sind und deren Soundtrack einfach slappt.

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Sonja Wild Dorfromantik

Auf ein erstes Pandemiejahr, in dem ich eher viel spielte, folgte ein zweites, im dem ich so wenig spielen konnte wie lange nicht. Mit Säugling im Haus blieb dafür kaum Zeit – und wenn doch, mangelte es mir an Energie und Konzentration. 40-Stunden-Open-World-Epos? Undenkbar. Immersives VR-Abenteuer? Geh mir weg! Rally, Flugsimulator? Haha, nope. Ich hätte so gerne, es ging aber nicht – und es fehlte mir sehr. Dann schenkte mir mein Bruder Dorfromantik. Das Aufbauspiel mit den sechseckigen Plättchen kam genau zur richtigen Zeit: In die hübsche Dorfwelt konnte ich mich minutenweise flüchten, das Spielprinzip war motivierend, ohne zu überfordern. Meine Highscores waren nie der Rede wert, aber das war egal. 2021 suchte ich Entspannung statt Abenteuer, und jede Runde Dorfromantik war wie ein tiefes digitales Durchatmen.

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Matthias Schmid & Michael Förtsch Sable

Matthias

2021 war ein Jahr der Indieperlen – sie haben den großen Namen ganz klar die Schau gestohlen. Knapp vor Death’s Door (knifflig & schön), The Eternal Cylinder (kreativ & surreal) und Mundaun (schaurig & schwarz-weiß) sichert sich das verträumte Action-Adventure Sable die Pole Position in meinem Spielejahr. Das noch frische Team von Shedworks hat eine Wüstenwunderwelt voller spannender Orte und malerischer Panoramen erschaffen – der ästhetisch sehr ansprechende Grafikstil verliert auch nach vielen Stunden nichts von seiner Faszination. Sable ist eine moderne Heldin, die ihren Mut auch ohne Kämpfe unter Beweis stellt, und vor allem im englischen Original erzählen die eleganten, einfühlsamen Texte eine kleine, feine Coming-of-Age-Geschichte.

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Michael

Noch keine Teaserbox ausgewählt

Es war eine ganze Weile her, dass ich das Gefühl hatte, mich einfach in die Welt eines Videospiels hineinfallen lassen zu können. Bei dem ich spürte, wie mich seine Kulissen, seine Mythologie und seine Bevölkerung umarmen und nicht mehr loslassen. Bei Sable war das in diesem Jahr endlich mal wieder der Fall. Als junge Nomadin erforschte ich hier mit meinem Schwebe-Motorrad eine offene Welt, die sich in einem von der franko-belgischen Comic-Legende Mœbius gehaltenen Zeichenstil präsentiert. Eine Welt, die leer erscheint, aber von faszinierenden Artefakten, mythischen Bauwerken, kuriosen Personen und arkanen Fabeln gespickt ist. Nichts erklärt sich selbst, sondern alles muss durch mich entdeckt und interpretiert werden. Es gibt keinen Kampf, keine Gewalt, sondern nur die Welt – und mich. Für mich ist Sable damit eine surreale aber vor allem entspannende Weltenflucht, die das Jahr 2021 weitaus erträglicher machte.

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Lea Irion Pokémon: Strahlender Diamant und Leuchtende Perle

Hach, Pokémon Diamant, schillernde Kindheitserinnerung und treue Retterin meiner Sommerferien, eine Edition wie keine andere. Jahrelang war sie meine Nummer 1 der besten Pokémon-Ableger. Ein Videospiel, das ich jährlich mit üppigen Blumensträußen und bestem Chardonnay aus meinem verstaubten Regal zurück in meinen Alltag begrüßte. Dann kam das Jahr 2021 und jene schillernde Kindheitserinnerung verwandelte sich in ein bemerkenswert glanzloses Remake. Ich muss den Entwickler*innen von ILCA ein Lob aussprechen: Noch nie wurde ein Videospiel mit einer solchen Sorgfalt von all seinem Charme und Charakter befreit, wie es bei Pokémon: Strahlender Diamant und Leuchtende Perle der Fall ist. Mein persönliches Negativbeispiel des Jahres – bitte nicht nachmachen!

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Sebastian Tyzak Returnal

Der gleichförmige Kreislauf von Roguelikes ödet mich an. Wieder und wieder die gleichen Spielabschnitte zu durchlaufen, den gleichen Hindernissen auszuweichen und die gleichen Feinde niederzuringen, nur um irgendwann die Mechanik zu beherrschen? Nein, danke! Vor allen Dingen weil ich für all die Wiederholung nichts bekomme. Keine Erfahrungspunkte. Kein permanentes Loot-Blingbling. Ja, (oft) nicht mal Shortcuts zu späteren Levels. Umso höher rechne ich es Returnal an, dass es mich genauso oft motiviert, wie es mich gewaltsam in den Staub drückt. Es ist ein Roguelike, das meine Zeit respektiert. Ein Roguelike, das mir auch dann eine Geschichte erzählt, wenn ich schon wieder auf ganzer Strecke versage. Ein Rougelike, das mir nach bewältigten Meilensteinen Fähigkeiten schenkt, mit denen ich den unwirtlichen Alien-Planeten auf neue Art und Weise erkunden kann. Und nicht zuletzt ist es auch ein Roguelike, dessen Action so satt, so brachial und so präzise ist, dass es einfach Laune macht, sich auch durch unüberwindbar scheinende Herausforderungen zu tasern. Klar, ein bisschen Lust auf Frust muss man auch für Returnal aufbringen, aber hier macht der ewige Kreislauf eben nicht spröde, sondern Spaß – und letztlich nur noch neugieriger auf den nächsten (höchstwahrscheinlich qualvoll endenden) Versuch, dem ewigen Roguelike-Kreislauf zu entkommen.

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Rainer Sigl Valheim

Wenn ich den lichten Mischwald mit seinen Birken verlasse, stehe ich plötzlich an einem Hang, der sanft zur schmalen Küste weiter unten führt. An der Oberkante dieses leicht geschwungenen Hangs ist eine Wiese voller einsamer Menhire, zwischen denen im Frühnebel die Rehe grasen; dahinter mischen sich mehr und mehr Nadelbäume unter das helle Gehölz, und es liegen riesige Findlinge unter hohen Kiefern. Der Schwarze Wald, in dem immer wieder riesige Trolle wandern, beginnt hier. Weiter unten am Hang, knapp vor der Grenze zu diesem düsteren, mir sehr vertrauten Wald, oberhalb der Küste, steht mein Haus, umgeben von Palisaden, klein, aber meine Basis, wo meine Schmelzöfen stehen, und meine kleine Werkstatt. Wenn ich abends auf die Veranda trete, sehe ich die Sterne über dem Meer funkeln, gleich hinter den gewaltigen Ästen der Weltesche. Das ist mein Valheim; und ich erinnere mich daran besser als an so viel Orte, an denen ich in der Realität sogar viel mehr Zeit verbracht habe. Dieser Hang am Meer gehört mir; und irgendwann schaue ich sicher wieder hin.

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Uuuund? Was ist euer persönliches Spiel des Jahres? Haut’s in die Kommentare.

27 Kommentare


Kommentare

  1. Besonders wohl gefühlt hab ich mich auch am ehesten in Sable. Und wenn es Valheim als Textadventure gäbe, das von Rainer erzählt würde, dann dort.

  2. Avatar for Simon Simon says:

    Ich sehe diesen Thread Mal als Aufruf auch das eigene Spiel des Jahres zu benennen.

    Ich persönlich habe dieses Jahr viel in der Vergangenheit gespielt. Path of Exile Leauge, Diablo 3 Season, Rocket Leauge etc.
    Die Neuheiten haben mich alle nicht so vom Hocker gerissen.
    New World sollte der große Spaß werden, ein Spiel zum darin verbuddeln. Server, Bugs und harter Crafting Grind haben das Game aber schnell zu Seite geschoben. Und dann kam aus dem Nichts diese Gameplay Perle aus Fernost.

    Gunfire Reborn.

    Ich hab es sofort geliebt. Schnelle Runden, gute Skill Mechanik, Coop Modus und hohem Wiederspiel Faktor. Es ist eine einzige Freude. Gunfire Reborn wird noch lange in meiner Gaming Rotation sein und immer Mal wieder ein paar Coop Runden zusammen bringen.

  3. Ich war schon immer besonders gut darin, mir selbst Steine in den Weg zu legen.
    Von daher: Loop Hero :black_heart:

  4. Mein Highlight 2021 war ganz klar, „It Takes Two“ Koop mit meiner Tochter durchzuspielen. Sie zockt sonst so gut wie gar nicht. Schöne Stunden, großartiges Game! :smiley:

  5. Avatar for Peter Peter says:

    Dieses Jahr ist leider überhaupt nichts erschienen, das für mich SdJ-Potenzial besitzt. Auch Indie-Darlings wie Inscryption, Loop Hero oder Unpacking fallen für mich alle bestenfalls in die Kategorie „7-8/10“. Mir fehlen aber natürlich auch noch ein paar Titel, an allererster Stelle We Are Football.

    Mein SdJ ist deswegen eines aus dem Vorjahr, welches ich seit Januar 350h lang gespielt habe, womit es bei mir Platz 2 einnimmt, und zwar: Monster Train. Dass mich ein Titel nach 35 Jahren des Spielens noch einmal derart packen und begeistern kann, hätte ich gar nicht für möglich gehalten.

  6. Ich habe aus diesem Jahr überraschend viel gespielt (obwohl ja „nix“ erschien).

    Hitman 3 war ein geiler Abschluss der Trilogie, (Teil 1-3 sollte man als ein einziges Spiel sehen, dass leider sehr unter dem holprigen publishing litt).

    Dorfromantik war eine hübsche Überraschung, ein zenartiges legespiel, dass mit fortlaufender Spielzeit aber immer kniffliger wird.

    Forza horizon: das ist ähnlich wie bei hitman nur ein weiteres „levelpack“. Aber was will man 7n einem openworld autospiel schon machen ausser Gasgeben, bremsen und hupen.
    Das macht fh5 mit einer Perfektion, die seinesgleichen sucht.

    Am meisten Zeit verbracht habe ich 2021 aber dennoch mit ck3, rimworld und assetto corsa

    Mein goty ist aus jenen Spielen wohl hitman3.
    Ein Spiel, dass eigentlich garnixht in mein übriges spieltepertoire passt. Aber die Qualität des leveldesigns, sowohl audiovisuell technisch , aber auch kreativ, habe ich bis dahin noch nicht gesehen. Der Humor und der " Sinn" des Spieles holte mich total ab.
    Als leidenschaftlicher sandbox Spieler war diese attentätersandbox genau das richtige.
    Ausserdem nimmt sich dieses Spiel auch null ernst, denn ein Attentäter würde 95% der killopportunities wohl niemals wählen :grinning:

  7. Andere Geschlechterverteilung aber ich stimme absolut zu. Im Gegensatz zu deiner Tochter ist mein Sohn ein richtiger Zocker. Er spielt oft, wir spielen oft, meist gegeneinander, wir battlen uns in Mario Kart, Pikmin und was es sonst noch so gibt. Für Fortnite bin ich zu schlecht…

    Aber „It takes two“, das war was anderes. Das war kooperativ. Das war ein gemeinsamer fantastischer Spaß. Man musste zusammen arbeiten, wie in einer Ehe (darum geht’s im Spiel) und hatte gemeinsam eine gute Zeit. Ich korrigiere, eine unglauchblich gute Zeit.

    It takes two war ein Erlebnis, an das wir uns auch in den nächsten Jahren erinnern werden. In meinen vielen Jahren als Zocker hab ich schon so viele Geschichten in Games erlebt, die sich leider viel zu oft wiederholen. Ein Spiel das das Thema Scheidung aufmacht und dann auch noch nicht auf tragische Art, sondern humorvoll erzählt, sowas gab es einfach noch nicht. Und…alter ist das game polished as hell

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